: „Lohnerhöhung muß unter vier Prozent bleiben“
■ Gesamtmetall-Chef Werner Stumpfe über die Chancen einer neuen Zusammenarbeit mit der IG Metall. Die Metall-Arbeitgeber rechnen für 1999 mit Produktivitätszuwächsen von vier Prozent
taz: Sie offerieren mehr Arbeitsplätze und reale Lohnsteigerungen, und Ihr Ziel ist eine neue Partnerschaft mit der IG Metall. Das klingt sehr nach Bündnis für Arbeit. Seit wann macht Gesamtmetall Wahlkampf für die SPD?
Werner Stumpfe: So sehr, wie ich mich bemühe, zur CDU hin Neutralität zu halten, bemühe ich mich erst recht, diese Neutralität zur SPD zu wahren. Wir lassen uns nicht vom Wahlkampf beeinflussen.
Sie versprechen für 1999 einen realen Lohnzuwachs. Wie hoch wird der ausfallen?
Wir müssen aus dem vorhandenen Verteilungsspielraum sowohl mehr Beschäftigung schaffen als auch die Einkommen erhöhen. Derzeit rechnen wir mit einem Produktivitätszuwachs von etwa vier Prozent.
IG-Metall-Chef Klaus Zwickel will 1999 mit etwa sieben Prozent in die Tarifrunde gehen. Er spricht vom Ende der Bescheidenheit.
Es wäre doch armselig, wenn die IG Metall ihren Mitgliedern erklären würde: Ihr habt in den vergangenen zwei Jahren wenig bekommen, weil wir uns in der preußischen Tugend der Bescheidenheit geübt haben. In Wahrheit haben wir mit den Tarifabschlüssen sachgerecht auf die wirtschaftliche Situation unseres Industriezweiges reagiert. Ich fordere die Gewerkschaft auf, sich mit uns zusammenzusetzen und nun die sachgerechte Lösung für die gegenwärtige Situation zu suchen. Wir müssen mit der Lohnerhöhung deutlich unter vier Prozent bleiben. Dann können wir aus dem vorhandenen Volumen Beschäftigung aufbauen.
Will Zwickel die angebotene Partnerschaft nicht?
Das müssen Sie Herrn Zwickel fragen. Wir bleiben bei unserer Überzeugung, daß wir bei einem partnerschaftlichen Umgang zu sachgerechten Lösungen kommen werden.
Die von Ihnen in Aussicht gestellten neuen Jobs erfordern hochqualifizierte Arbeitnehmer. Können künftig nur spezialisierte Leute von dem Aufwind der Branche profitieren?
Es wäre doch eine Aufgabe, die den Schweiß der Edlen wert wäre, sich zu überlegen: Können wir neue Arbeitsbedingungen schaffen, die auch Langzeitarbeitslosen eine neue Chance geben?
Es arbeiten aber nur noch 3,1 Prozent aller Metaller in Lohngruppen, die geringe Qualifikationen erfordern. Wie wollen Sie da neue Jobs schaffen?
Das eine ist: Der Preis der Arbeit muß stimmen. In anderen Tarifbereichen wurden Wege gefunden, um Langzeitarbeitslose mit einem niedrigeren Einstiegslohn wieder in das Arbeitsleben zu integrieren. Darüber hinaus gibt es sicher weitere Lösungsansätze.
Sie denken daran, Niedrigqualifizierten weniger Lohn zu geben, den der Betrieb aber mit einer Fortbildung kompensiert?
Auch das könnte ein Gedankenmodell sein.
Eine Arbeitszeitverkürzung steht für Sie nicht zur Diskussion. Sie wäre aber auch ein Mittel zu mehr Beschäftigung.
Wir haben gerade die 35-Stunden-Woche bis Ende 2000 verlängert. Bei den Höherqualifizierten haben wir einen starken Arbeitskräftemangel. Würden wir die Arbeitszeit für die Spitzenkräfte verringern, bekämen wir auf dem Arbeitsmarkt keinen Ersatz für diese Mitarbeiter.
Mit wie vielen neuen Arbeitsplätzen rechnen Sie im kommenden Jahr?
Wir gehen davon aus, daß wir in diesem Jahr bei 60.000 Plätzen liegen. Wenn wir tarifpolitisch keine Fehler machen, werden wir das im nächsten Jahr wieder schaffen. 120.000 neue Arbeitsplätze in zwei Jahren, das ist doch schon was. Interview: Annette Rogalla
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