: Bed & Breakfast unter Billigflagge
ITF macht gegen Sozialdumping und mangelnde Sicherheit auf See mobil ■ Von Kai von Appen
Das Seefahrerleben hat immer noch seine „dunklen und gefährlichen Seiten“ – vor allem auf Billigflaggenschiffen. Gegen die Arbeitsbedingungen der Seeleute auf Frachtern, die unter den Flaggen Panamas oder der Bahamas fahren, macht ab heute daher in Hamburg die „Internationale Transportarbeiter Förderation“ (ITF) mobil. Gestern abend legte zu diesem Zweck die „Global Mariner“ an den Überseebrücken an, ein neues Ausstellungs- und Kampagnenschiff der ITF, das Hamburg einen viertägigen Besuch abstatten wird.
Der Besuch im Hamburger Hafen ist nicht zufällig. Denn die Hanseatischen Reedereien sind Weltmeister im Ausflaggen. „Es gibt faktisch kein Seeschiff mehr unter deutscher Flagge“, erläutert Klaus Meyer von der Abteilung Schiffahrt bei der ÖTV. Selbst namhafte Hamburger Reedereien wie Hapag Lloyd, Hamburg Süd, Avenkiel, Peter Döhle und Klaus Offen lassen ihre Schiffe lieber mit dem Wimpel Liberias, Singapurs oder den Antiquias fahren. Und sogar die Frachter von Frank Leonhardt, dem Chef des Verbands Deutscher Reeder, fahren unter exotischer Fahne.
Alle Billigflaggenländer haben keine Aufsichtsbehörden, die den Zustand der Pötte kontrollieren. „Die sozialen Bedingungen und die Sicherheitsstandards sind katastrophal“, beklagt daher Meyer. „Keine Gewerkschaft, keine soziale Gesetzgebung, keine Unfallversicherung.“ Die Besatzungsmitglieder, die von Agenturen gegen Gebühr vermittelt werden, sind nur noch Objekte. „Die Reeder haben letzlich keinerlei Fürsorgepflicht mehr“, erklärt Meyer, „bei einem Unfall heißt es nur: Schickt mir einen Neuen, aber schnell.“ Zwar seien Schiffe, auf denen Seeleute für „Bed and Breakfast“ fahren, inzwischen die Ausnahme, dennoch sei Sozialdumping noch an der Tagesordnung.
Auch das deutsche Zweitregister ist der ITF ein Dorn im Auge: Das vor neun Jahren von der Bundesregierung gegen den massiven Widerstand der Gewerkschaften durchgepeitschte Register gestattet es deutschen Reedern, minderqualifizierte ausländische Seeleute zu Heimatlohnbedingungen anzuheuern. „Das führt zu einer Intensivierung der Arbeit für die deutsche Restbesatzung“, berichtet Meyer. Denn letzlich können sich die Offiziere – auch wegen der Verständigungsschwierigkeiten – auf nichts verlassen. „Die Ingenieure und Nautiker müssen alles nachkontrollieren“, beklagt Meyer, „das führt zu einer erheblichen Sicherheitsbeeinträchtigung.“
Auf der „Global Mariner“ können ab heute Ausstellungen zum Kampf gegen Billigflaggen, zur Geschichte der ITF und zu Tankerunglücken und Schiffskatastrophen besichtigt werden, und zwar: am Dienstag von 12 bis 20 Uhr, Mittwoch von 10 bis 18 Uhr und Donnerstag von 10 bis 20 Uhr.
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