: Cebit Home ganz ohne Gameboy
■ Der kleinen Tochter der großen Cebit bleibt der Erfolg versagt: Die Zahl der Aussteller schrumpft – und manch großer Name fehlt bereits
Berlin (taz) – Simuliertes Sterben beim Ballerspiel im Internet, lange Spaziergänge in Computerwelten und virtuelle Popstars, die nur im Rechner existieren: damit will die zweite Cebit Home die Privatkunden nach Hannover locken. Business as usual also im Cyperspace – doch die Branchenexperten sind nicht so euphorisch wie die Computerfreaks, die ab heute die Messestände belagern werden. Branchenkenner wie Frank Stäudner vom Fachverband Informationstechnik verlangen endlich mehr Aufträge: „Wenn das wieder schiefgeht, müßte die Messe AG ihr Konzept überdenken.“
Die Skepsis hat Folgen: Nur 586 Aussteller wollen diesesmal Produkte vorstellen, vor zwei Jahren waren es noch 46 Firmen mehr. Ungewöhnlich für eine Messe, die erst zum zweiten Mal stattfindet und der eine so erfolgreiche Messe wie die Computerfachmesse Cebit Pate stand. Besonders schlimm: Obwohl der erklärte Schwerpunkt der Cebit Home diesmal Computerspiele seien sollen, fehlt der Branchenriese und Gameboy-Erfinder Nintendo – dem reicht die Spielwarenmesse in Nürnberg.
Auch unter den Unterhaltungselektronikfirmen fehlen viele große Namen. Die fühlen sich offenbar auf der Berliner Konkurrenzmesse IFA eher zu Hause. So präsentieren von den großen Fernsehherstellern nur Loewe und Sony ihre Neuheiten. Und in der Telekommunikationshalle fehlt der Branchenriese Nokia.
Vor zwei Jahren wurde die Kundenmesse Cebit Home erstmals als Entlastung für die frühjährliche Fachmesse Cebit veranstaltet. 770.000 Besucher hatten die Cebit 1995 verstopft, die Deutsche Messe AG wollte die Computerfreaks von der Renommiermesse loswerden, verhindern, so ein Sprecher, „das die Cebit an ihrem Erfolg erstickt“. Also erhöhte man die Eintrittspreise um mehr als die Hälfte auf 50 Mark und erfand die Cebit Home, die alle zwei Jahre schon für 15 bis 20 Mark zu betreten ist. Eine gelungene Aktion: Die Cebit wurde gut 180.000 überwiegend private Besucher los und verzeichnet seitdem steigende Zahlen an gewünschten Fachbesuchern – dieses Frühjahr waren es 577.000. Auch die Zahl der Aussteller wächst und wächst: Zuletzt waren es über 7.250. Ein „Meilenstein für die Informationsgesellschaft“, jubelten die Veranstalter, und die Fachverbände der Industrie waren zufrieden.
Doch der Erfolg färbt nicht wie gewünscht auf die kleine Cebit Home ab. Rund 200.000 Neugierige erwartet die Deutsche Messe AG, etwa soviel wie vor zwei Jahren. Selbst auf der normalen Cebit versammelten sich dieses Jahr trotz hoher Eintrittspreise noch rund 100.000 Privatkunden.
Trotzdem spricht viel dafür, daß zumindest die Besucher auf ihre Kosten kommen und einen bunten Eindruck mitnehmen. Zwar wird es nicht viele aufregende Neuerungen zu sehen geben, doch den meisten Besuchern wird es eh mehr Spaß machen, neue Spiele auszuprobieren, als superflache Notebooks zu bewundern oder sich „Hörfunk on demand“ erklären zu lassen. Auch die älteren Besucher, die sich vielleicht Online-Shopping oder WebTV erklären lassen, wird es wenig stören, daß das große Geschäft mit dem Multimedia-Fernseher mit Internet-Anschluß fürs Wohnzimmer bislang ausgeblieben ist. Matthias Urbach
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