: „Die SPD braucht ein grünes Korrektiv“
■ Klaus Meyer-Abich war Senator für die SPD. Jetzt ruft er auf, am 27. September Grün zu wählen
Die Wählerinitiative „Für eine rotGrüne Regierung“ ruft auf, zur Bundestagswahl mit der Zweitstimme Bündnis 90/Die Grünen zu wählen. Klaus Meyer-Abich, parteilos, hat als einer der ersten den Aufruf unterzeichnet.
taz: Herr Meyer-Abich, Sie waren Senator in einer sozialdemokratischen Landesregierung und 1983 sogar im Schattenkabinett des SPD-Kanzlerkandidaten Hans-Jochen Vogel. Warum rufen Sie jetzt zur Wahl der Grünen auf?
Klaus Meyer-Abich: Meine Ziele sind die gleichen geblieben. Dafür stand ich 1983 mit Vogel ein und habe dafür später als Senator gearbeitet. Aber eben diesen Zielen kann ich heute nur noch in einer Regierung mit einer starken grünen Komponente wenigstens gewisse Chancen geben. Von einer rein sozialdemokratischen Schröder-Regierung würde ich kaum mehr erwarten als von einer CDU- Regierung.
Wann haben Sie mit der SPD gebrochen?
Gar nicht, ich trete ja für eine rot-grüne Koalition ein. Aber die Mehrheit in der SPD hat sich so stark der CDU angenähert, daß ich die nicht mehr unterstützen kann. Mir ist Schröder schon lieber als Kohl. Aber einen gewaltigen Unterschied kann ich zwischen den beiden wirklich nicht erkennen. Die Grundsituation heute ist, daß die Natur immer stärker ausgebeutet wird und die Arbeitslosigkeit immer mehr steigt und beides aus dem selben Grund: Zugunsten der Rendite auf der Kapitalseite. Es ist falsch, Naturschutz und Arbeitsschutz gegeneinander auszuspielen.
Und das zu ändern, trauen Sie den Grünen zu?
Ich bin sehr skeptisch, ob das im Zeitalter der Globalisierung möglich ist. Aber wenn überhaupt, dann mit einer Regierung, in der die Grünen sind. Wenn es in Deutschland jemals eine ökologische Steuerrefom geben wird, dann nur mit den Grünen.
Sie waren Senator für Wissenschaft und Bildung. Haben die Grünen auch auf diesem Feld Kompetenz?
Bisher hat sich keine Partei auf diesem Gebiet besonders profiliert. Auch nicht die Grünen. Aber sie haben sich bisher auch am wenigsten blamiert. Vielleicht nehmen sie ihre Chancen auf diesem Gebiet ja in der Regierung war.
In dem von Ihnen unterzeichneten Aufruf heißt es, die Grünen hätten die „linksliberale Bürgerrechtstradition“ übernommen.
Ich wünsche mir für die Grünen eine Rolle, wie sie eine gute FDP zeitweise hatte. Eine Rolle als Gegengewicht. Die FDP war in der sozialliberalen Koalition vor allem unter Kanzler Schmidt zeitweise ein sehr erfreuliches Korrektiv. Auch heute braucht die SPD dringend eines solches Korrektiv.
Innerhalb der SPD sehen Sie kein Korrektiv zu Schröder?
Eigentlich doch, aber diejenigen, die in der SPD politisch grüne Positionen vertreten, sind leider sehr geschwächt. Und im Machtrausch der Mehrheit werden sie immer schwächer! Wenn es nach der Wahl einen starken SPD-Umweltminister Michael Müller geben würde, sähe für mich alles anders aus.
Wird Schröder nach der Wahl eine Große Koalition bilden?
Ich traue ihm das ohne weiteres zu. Die jetzige SPD würde sich mit der CDU doch viel leichter arrangieren als mit den Grünen. Aber der SPD muß man eine Koalition mit den Grünen geradezu wünschen, um ihrer eigenen Integrität willen.
Sie sind nicht optimistisch, daß es nach dem 27. September eine rot-grüne Bundesregierung gibt?
Optimistisch bin ich nie. Aber ich bin nicht ohne Hoffnung. Der Wahltag ist ja auch nicht allein entscheidend. Was wir wirklich brauchen, ist nicht nur eine neue Regierung. Wir brauchen einen Bewußtseinswandel in der Politik. Und diesen Bewußtseinswandel kann ich mir allenfalls erhoffen. Interview: Robin Alexander
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