: Killer warten vor der Wohnung in Pale
■ Bosniens Serbenführer Momčilo Krajišnik soll einen Mordauftrag erteilt haben. Trotzdem kann er bei den Wahlen kandidieren
Sarajevo (taz) – Momčilo Krajišnik, serbischer Vertreter im bosnisch-herzegowinischen Staatspräsidium, steht unter dem Verdacht, in einen Auftragsmord verwickelt zu sein. Trotzdem kann Krajišnik nicht von den im September stattfindenden Wahlen in Bosnien- Herzegowina ausgeschlossen werden. Das erklärte die Pressesprecherin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, (OSZE) Nicole Szulc, gestern in Sarajevo. Der prominente Vertreter der serbischen Nationalistenpartei SDS besitze als Mitglied des Staatspräsidiums Immunität, die nur vom dreiköpfigen Staatspräsidium selbst einstimmig aufgehoben werden könnte. Krajišnik wird voraussichtlich sogar bei den kommenden Wahlen wieder für sein Amt kandidieren, vermuten Vertreter der internationalen Gemeinschaft in Sarajevo.
Die Vorgänge um den engen Freund des mutmaßlichen Kriegsverbrechers und ehemaligen Führers der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, lesen sich wie ein Action-Krimi der schlechteren Sorte. Am 7. August wurde nämlich der stellvertretende Bürgermeister der Region „Srpsko Sarajevo“, Srdjan Knesević, der auch Sicherheitschef der Region war, in der Karadžić-Hochburg Pale ermordet. Die Killer warteten vor seiner Wohnung. Als er diese verließ, wurde er erschossen.
Pech für die Mörder des Sicherheitschefs war, daß dessen Frau einige der Täter erkannte und diese Beobachtung dann den Behörden der Republika Srpska in Banja Luka meldete. Diese Behörden befinden sich gerade in einem Machtkampf mit den Autoritäten in Pale und auch mit Momčilo Krajišnik. Daraufhin wurden sieben Polizisten aus Pale von der Staatspolizei festgenommen. Zwei dieser Polizisten packten aus. Und beschuldigten Momčilo Krajišnik und den ehemaligen Innenminister der Republika Srpska, Dragan Kajić, Auftraggeber dieses Mordes gewesen zu sein.
Knesević, so stellte sich heraus, sei vor seinem Tode bereit gewesen, auf die moderate Linie der Politiker in Banja Luka einzuschwenken und gegen korrupte Parteifreunde von Krajišnik in Pale vorzugehen. Dies wollten Krajišnik und Kajić nach Meinung der Ankläger verhindern.
Damit wurde die Angelegenheit hochpolitisch. Denn dadurch, daß der Chef der Polizei der Serbischen Republik in Bosnien, Milan Staković gegen Krajišnik vorgehen will, wird an den weiter bestehenden Machtstrukturen der serbischen Extremisten in Pale gerüttelt. Krajišnik tauchte letzte Woche in Serbien unter und bat serbischen Quellen zufolge um ein Gespräch mit dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević. Daß dieses Gepräch nicht zustande kam, ist jedoch ein deutliches Zeichen dafür, daß Milošević die Pale-Extremisten nicht mehr unterstützen will, sondern sich von dem international als moderat geltenden Premierminister Milorad Dodik mehr Vorteile für seine eigene Politik verspricht.
Dennoch hat Krajišnik den Kampf noch nicht verloren. Denn die ihm verliehene Immunität als Mitglied des Staatspräsidiums kann ihm im Staatspräsidium selbst nur einstimmig entzogen werden, also nur mit seiner eigenen Stimme. Lediglich das Parlament der Republika Srpska hätte noch das Recht, sie mit einer Zweidrittelmehrheit aufzuheben. Dazu jedoch wird es angesichts der Stimmverhältnisse nicht kommen. Solange aber die Immunität nicht aufgehoben ist, können die Behörden der Republika Srpska nicht gegen Krajišnik vorgehen.
Auch die Institutionen der internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina erklären sich für machtlos. Die OSZE kann Kandidaten nur dann von den Wahlen ausschließen, wenn sie nachweislich gegen die Wahlgesetze verstoßen. Dies hat Krajišnik nicht getan. Man vermutet sogar, Krajišnik könnte angesichts einer Trotzreaktion eines großen Teils der serbischen Bevölkerung erneut in seinem Amt bestätigt werden. Erich Rathfelder
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