piwik no script img

Kritik an Noltes Definition

■ Opposition und Sachverständige fordern verstärkten Kampf gegen die Kinderarmut

Bonn (dpa) – Die Zurückweisung des Sachverständigengutachten zur Kinderarmut durch Familienministerin Claudia Nolte (CDU) hat in Expertenkreisen Kritik und Entrüstung ausgelöst. Die künftige Bundesregierung müsse sich an der Bekämpfung der Armut messen lassen, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Manfred Kock, gestern im Saarländischen Rundfunk. Auch in Deutschland gebe es Kinder, die nichts zu essen hätten. Es dürfe kein Armutsrisiko sein, wenn jemand mehrere Kinder habe.

Wie Kock sprach sich auch der Geschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, für eine Anhebung des Kindergeldes in den unteren Lohngruppen aus. Die Mittel müßten auf einkommensschwache Familien konzentriert werden, sagte Schneider im ZDF. Oppositionspolitiker warfen Nolte Zynismus vor, weil sie die Kinderarmut leugne und die Debatte auf die Definition von Armut verlagere.

Sachverständige wiesen zugleich auf die Folgen von Armut für Kinder hin. Sie widersprachen der Darstellung der Regierung, daß Sozialhilfebezug kein Hinweis auf Armut sei. „Natürlich verhungern Familien nicht, die Sozialhilfe bekommen, aber sie leben in ungewöhnlich beschränkten Verhältnissen“, sagte einer der Autoren des Berichts, der Bildungsforscher Lothar Krappmann, im InfoRadio Berlin-Brandenburg. Das bedeute erwiesenermaßen eine Einschränkung von Entwicklungschancen für Kinder.

Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann bezeichnete den steigenden Anteil von Heranwachsenden in der Sozialhilfe als beängstigend. Es sei offensichtlich, daß die Kluft zwischen Armen und Reichen tiefer geworden sei. Wirtschaftlich schwierige Verhältnisse führten auch zu psychischen Belastungen. „Die Kinder spüren im Alltag, daß sie nicht mithalten können.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen