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Ursache des Desasters noch immer nicht geklärt

■ Pilotenfehler oder Sabotage? Die Unglücksursache des Absturzes der „Frecce tricolori“ ist offen. Die beteiligten Staaten sprechen sich gegenseitig frei, Opfer kämpfen weiter um Ausgleich

Rom (taz) – Der Feuerwalze rast Hunderte von Malen erneut auf die ahnungslos zum Himmel blickenden Zuschauer des „Flugtages von Ramstein“ zu: Ausnahmslos alle Kanäle der Republik erinnern an die Katastrophe, bei der die italienische Kunstflugstaffel „Frecce tricolori“ nicht allein Staunen, sondern 70 Tote und Sterbende sowie mehrere hundert Verletzte auf dem Boden des US- Flugstützpunktes Ramstein hinterließ. Bilder von Menschen, die, selbst brennend, in den Trümmern ihre Verwandten und Freunde suchen, entstellte Frauen, Männer, Kinder, denen das Feuer die Haut weggesengt hat.

Im merkwürdigen Gegensatz zu der meist ausführlichen Würdigung der Opfer steht das Interesse für die immer noch ungeklärte Ursache des Desasters bei allen beteiligten Nationen, Deutschland, den USA und Italien. Die italienischen Behörden etwa sehen sich außerstande, Licht in die Sache zu bringen. Vielleicht, weil der Fall mit einem anderen, ebenso spektakulären zusammenhängen könnte? 1980 war eine Passagiermaschine mit 81 Menschen an Bord nahe der Mittelmeerinsel Ustica vom Himmel fiel – getroffen wahrscheinlich von einer Rakete im Rahmen eines Nato-Manövers, das zwei der drei in Ramstein verunglückten Piloten wohl miterlebt hatten und über das sie wenige Tage nach Ramstein hätten aussagen sollen. Mehr als ein Dutzend Personen, die in diesem Skandal eine Rolle spielten, kam bisher auf unnatürliche Weise ums Leben.

In Rom wurde eine militärische Ermittlung eingeleitet, und in Udine, wo die Staffel stationiert ist, eine strafrechtliche Untersuchung angestellt. Am Ende stellten sich alle drei beteiligten Nationen einen Persilschein aus: Die Deutschen konnte keine Defizite bei der Rettung erkennen; die Amerikaner als Veranstalter sahen die kein Sicherheitsrisiko – obwohl sie die „Frecce tricolori“ die fragliche Kunstflugfigur (sie hieß sinnigerweise „durchstoßenes Herz“) auf die Zuschauer zu und nicht von diesen weg hatten durchführen lassen. „Anders hätte man die Figur nicht so gut sehen können“, hieß es.

Die Italiener suchten indessen Gras über die Sache wachsen zu lassen. Erst ein Vierteljahr nachdem die taz auf mögliche Hintergründe aufmerksam gemacht hatte, bequemte sich die italienische Botschaft, ein Urteil des Amtsgerichts Udine zu übergeben. Darin wurde lediglich festgestellt, daß man gegen den Verursacher, den Solopiloten, nicht mehr ermitteln dürfe, weil er tot ist.

Untersuchungsrichter Roberto Paviotti äußerte sich deutlicher: „Ich habe überhaupt nichts rausgekriegt“, sagte er der taz, „die Militärs haben gemauert, daß sich die Balken biegen.“ Der Unglückspilot Nutarelli galt als einer der erfahrensten Piloten der Luftwaffe mit mehr als 2.000 Flugstunden. Laut Autopsie war er weder betrunken noch voller Drogen, die Flugfigur gehört nach Ansicht der gesamten Staffel zu den einfachsten der ganzen Vorführung. Sie werde auch von einfachen Piloten beherrscht, dient sie doch dazu, daß die mittlere Maschine bei einem Angriff von hinten mit einem Looping hinter den Angreifer kommt – während die anderen Maschinen „wegrollen“, um den Feind von der Seite her attackieren zu können. Von den Kollegen Nutarellis glaubt bis heute keiner an einen Pilotenfehler.

Bliebe als Alternative ein Defekt an der Maschine, was aber angesichts ihrer sonstigen Zuverlässigkeit als ausgeschlossen gilt – oder eben Sabotage. Doch ein Verfahren gegen Unbekannt wegen dieses Verdachts wurde niemals eingeleitet. Auch nicht von den deutschen Behörden, die nach dem unbefriedigenden Abschluß der italienischen Ermittlungen das Recht gehabt hätten, selbst weiterzuforschen.

Und so warten die Hinterbliebenen noch immer darauf, daß jemand klärt, wer die wirkliche Verantwortung für den Tod ihrer Angehörigen und Freunde trägt. Etwa hundert damals noch Davongekommene wollen nun, erstmals in Deutschland, einen Schadenersatz für psychische Folgen des Desasters einklagen. Ihr Anwalt ist der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum. Es könnte, so steht zu hoffen, doch noch einmal Licht in die Sache kommen. Werner Raith

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