■ H.G. Hollein
: Undominant

Die Frau, mit der ich lebe, ärgert sich bisweilen über mich. Allemal grundlos, wie ich finde. Was kann ich etwa bei einem Museumsbummel dafür, wenn die Gefährtin – in einen brünftigen Symbolisten-Schinken versunken – mir versonnen das Gesäß tätschelt, während ich schon drei Bilder weiter stehe. Ich gebe ja zu, daß ihr Tun an einem fremden Männerhintern sie in solchen Momenten in einen gewissen Erklärungsnotstand stürzt, aber so benimmt man sich an einem Ort weihevoller intellektueller Versenkung auch nicht. Gar zum Rumpelstilzchen metamorphiert die Gefährtin, wenn ich in einer fremden Großstadt instinktsicher im laufenden Verkehr die Straßenseite wechsle. Als weltläufiger Mensch weiß ich, daß es an der Place de la Concorde nicht weiterhilft, vorbildliches Fußgängerverhalten zu praktizieren und gehe eben einfach los. Die Gefährtin nicht. Zwar trennt uns dann ein dröhnender mehrspuriger Verkehrsstrom, aber den übertönt die Stimme der Gefährtin mühelos. Ob ich sie etwa loswerden wolle, muß ich dann hören. Da gilt es, mit der Antwort nicht zu zögern und den erhöhten Adrenalinspiegel der Gefährtin für eine zweite Straßenüberquerung produktiv zu nutzen. Erzürnt reagiert die Gefährtin auch, wenn sie einen vermeintlich geeigneten Parkplatz erspäht. Es mag psychologisch unklug sein, dann einfach kommentarlos weiterzufahren, aber ich mag der Gefährtin auch nicht immer wieder vorhalten, daß ich in ihr räumliches Sehen nicht allzuviel Vertrauen habe, seit sie einmal mit ihrem Dienstwagen auf einer geraden Landstraße den einzigen freistehenden Baum zu treffen vermochte. Den Vorwurf, ich müsse wohl immer das dominante Männchen in unserem Zweier-Rudel spielen, kann ich jedenfalls getrost zurückweisen. Ich habe nämlich nachgelesen, was domi-nante Männchen so mit ihren Weibchen machen, und davon bin ich wirklich noch ziemlich weit entfernt.