: Bootswandern auf den „Geheimpfaden“
■ Zwischen Aurich, Emden und Wilhelmshaven lassen sich die Tiefs buchstäblich erfahren
Aurich. In Ostfriesland tragen die „Tiefs“ keine Frauennamen. Ortskundige verstehen darunter vielmehr das weit verzweigte Netz von Entwässerungskanälen zwischen Ems und Jade. Und anders als die regenreichen Gebiete auf der Wetterkarte sind die Tiefs im Nordwesten Niedersachsens äußerst beliebt: Naturliebhaber nutzen sie als „Geheimpfade“, auf denen sich Ostfriesland in aller Stille „erfahren“ läßt.
Die ruhige Landschaft hinter den Deichen, abseits der quirligen Küstenorte, wird zunehmend von Wassersportlern geschätzt. Ihnen stehen zwischen Emden und Wilhelmshaven immerhin über 800 Kilometer Wasserwege offen. Wandercanadier, Faltboote und Kajak sind hier ideale Fortbewegungsmittel. Aber auch größere Sportboote verkehren wieder da, wo einst schwer beladene Kähne Torf aus den Moorgebieten zu den Verbrauchern brachten.
Als zwischen den Weltkriegen flinke Lastwagen die trägen Frachtschiffe ablösten, waren die ehemals bedeutenden Tiefs nur noch als Entwässerungsgräben wichtig. Die malerischen Zugbrücken wurden vielfach für den Autoverkehr durch stabilere, aber starre Betonkonstruktionen ersetzt. Ganze Wasserläufe wurden für bestimmte Bootstypen unpassierbar. Erst mit der „Entdeckung“ des Wassersports als Einnahmequelle wurden die traditionellen Brücken wieder restauriert.
Inzwischen haben die Gemeinden sogar den schlichten Kanufahrer als Wirtschaftsfaktor erkannt. In vielen Dörfern gibt es befestigte Anlegestellen, damit Bootswanderer bequem aussteigen und Proviant einkaufen können oder im Gasthof zum Klönschnack mit Tee einkehren. „Die Infrastruktur wird weiter verbessert“, kündigt Lammert Baumann vom Amt für Wirtschaftsförderung im Landkreis Aurich an. Auch der Landkreis Leer investiert mit Blick auf die Freizeitkapitäne.
Ganz auf Wassersport gesetzt hat bereits Wolfgang Kremulat aus Ihlow bei Großefehn, acht Kilometer südlich von Aurich. Für die Tief- Tour verleiht er Urlaubern die komplette Ausrüstung, vom Boot über das Zelt bis zum Kochgeschirr („Pött un Pann“). Neulinge weist er in die Fahrtechnik der recht stabilen Boote ein. Zudem organisiert er mit seiner mobilen Kanustation „Paddel-Pedal-Touren“ quer durch ganz Ostfriesland: Dabei transportiert er die Fahrräder durchreisender Radwanderer zu einem weiteren Etappenziel, während die Radler im Boot die Arme statt der Beine trainieren.
Kremulat erkannte vor sieben Jahren die wachsende Nachfrage nach Service-Leistungen rund um den Kanu-Wandersport. Vom Kegelclub mit rüstigen Senioren bis zu Betriebsausflügen sportlicher Polizisten reicht heute das Stammpublikum des Kanuverleihers. „Manchmal sind Kunden natürlich enttäuscht, wenn das Wetter garstig ist. Doch die meisten Freizeit-Paddler kommen wieder“, meint der 51jährige.
Die Bootsreise durch Ostfriesland zu Zeltplätzen, Heuhotels und Pensionen wird meistens von Natureindrücken und Sehenswürdigkeiten geprägt und weniger vom großen Abenteuer: Enten auf Konvoifahrt und Zugvögel sind zu sehen, aber auch fotogene Holländer-Windmühlen und Zugbrücken bei Großefehn. Und das Wichtigste nach einem Tag an frischer Luft sind natürlich die Mahlzeiten. Kremulat empfiehlt einfache Kost: „Frisch geräucherter Fisch und Pellkartoffelm mit Stipp von einem der öffentlichen Grillplätze am Ufer.“ Christian Wöste (dpa)
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