: Die rotierende Notenpresse hilft Rußland nicht
■ Ist mehr ungedecktes Geld im Umlauf, steigen Inflation, Verbraucherpreise und Importkosten
Hamburg (taz) – „Die Notenpresse kann Rußland aus der Krise helfen“, hofft halb Moskau. „Katastrophal“ wäre ein solcher Geldmengensprung, kontert der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. Ohnehin hatten die Preise schon um über zehn Prozent zugelegt, bevor der Kursverfall des Rubel die Inflation zum Rasen brachte.
Sucht nun die Regierung in Moskau ihr Heil im flotten Drucken neuer Rubelscheine, passiert lehrbuchhaft folgendes: Der Rubelkurs gegenüber Dollar und Mark sinkt weiter. Importe verteuern sich, die Lebensmittelpreise streben rasant aufwärts. Stadtarmut und Mittelstand können die hohen Preise kaum zahlen. Zugleich verfallen die Sparguthaben. Dagegen stünde auf der Habenseite lediglich eine scheinbare Beruhigung der Wirtschaft, Industrieprodukte und Rohstoffe würden im Ausland billiger und der Export angekurbelt. Am Ende der Inflationsspirale würden allein diejenigen Nutznießer sein, die reale Werte, wie Immobilien und Devisen, besitzen – die Oligarchen.
In Deutschland wollen derweil die Preise einfach nicht mehr richtig steigen (0,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr). „Fast ist das Deflation“ – und damit zuwenig –, sagt Ökonom Hickel zur taz: „Damit versauen wir uns Beschäftigungschancen.“ Schuld sei die restriktive Geldpolitik der Bundesbank. Diese operiert mit einer Waage im Kopf: In der einen Schale liegen die realen Produkte und Dienstleistungen, in der anderen Schale liegt das Geld. Damit die Waage im Gleichgewicht steht, füllen die Bundesbanker die Geldschale langsam weiter auf, und zwar entsprechend der Zunahme von Produkten und Dienstleistungen.
Was nun allerdings die tatsächliche Geldmenge ist, bleibt definierbar. Es sind nicht allein die im Umlauf befindlichen Markstücke und Scheine: Die Bundesbank teilt die Geldmenge in M1, M2 oder M3 ein, je nachdem, ob Kredite, langfristige Einlagen oder Auslandsforderungen mitgezählt werden. Im Juni stieg die Geldmenge um 1,6 Milliarden Mark. Eine etwas stärkere Geldmengenerhöhung – und vor allem die Erwartung einer solchen – könnte die Wirtschaft ankurbeln. Dazu müßte die Bundesbank die Leitzinsen senken. Billigere Kredite und zukünftig höhere Preise könnten die Wirtschaft zu dynamischer Produktion und frischen Investitionen anreizen.
So dürfte die Deflation den Deutschen ebensowenig bekömmlich sein wie eine rotierende Notenpresse den Russen. Der goldene Mittelweg soll es sein. Jedoch ruhen die eigentlichen Probleme woanders, eine falsche Geldpolitik jedoch schafft zusätzliche. Hermannus Pfeiffer
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