piwik no script img

Sony zieht den Kranz hoch

■ Richtfest für das Sony-Center am Potsdamer Platz: Drei Jahre nach dem ersten Spatenstich steht der Rohbau. Das Glaszelt wird noch montiert. Das 1,5-Milliarden-Projekt wird langweilig glänzen

Auf dem Potsdamer Platz jagd ein Richtfest das nächste. Erst debis, jetzt Sony. Wenn heute der Richtkranz über dem 26 Stockwerke hohen Sony-Center aufgezogen wird, geht das zweite Großprojekt vor Ort seiner Fertigstellung entgegen.

Den Glasturm hüllt die Fassade bereits bis zur Hälfte ein. Daneben stehen die fünf anderen Rohbauten für das Filmhaus, für die Büros und das Urban Entertainement Center. In den Hintergrund geraten sind durch die Masse des Betonwaldes das frühere Esplanade und der kleine Kaisersaal, mit dessen Verschiebung 1995 der Bau des dreieckigen Ensembles startete. Der eigentliche Clou der Sony-Stadt, die große Glaskuppel über dem 4.000 Quadratmeter großen Forum, wird erst in den kommenden Monaten montiert. 1.000 Tonnen Glas, Stahl und Gewebe segeln dann in 40 Meter Höhe über dem ovalen Innenhof. Das 1,5 Milliarden Mark teure Mega-Projekt auf den 26.000 Quadratmetern wird 1999 fertiggestellt sein.

Daß der japanische Elektronikriese von seinem Image als Entertainer in der Branche auch beim Richtfest nicht läßt, wird heute Mittag wieder peinlich sichtbar: Der Kranzhochzug werde „von maßgeschneiderten tänzerischen und musikalischen Inszenierungen“ begleitet, kündigte Sony an. Unter der Leitung des Choreographen Dietmar Seyffert tritt ein 16köpfiges Ensemble aus der Komischen Oper zu Klängen der Deliriumgruppe Tangerine Dream auf. Das werden die geladenen Promis vielleicht gut finden, die Bauarbeiter aber wird es langweilen. Daß das Richtfest das Fest der Männer vom Bau samt Bierkampf ist, ist dem High-Tech-Unternehmen offenbar entgangen. Was bedeutet dieses Ritual auch schon, bei so einem spektakulären Berlin- Projekt.

Sony geht am Potsdamer Platz eigenwillige Wege. Statt die Planungen auf verschiedene Architekten zu verteilen, um eine unterschiedliche Architektur zu garantieren, entstammt der Sony-Entwurf von Helmut Jahn (Chicago) einem Guß.

Es genügt ein Blick auf die wunderschönen Schautafeln entlang der Baustelle, die schon jetzt befürchten lassen, daß die Wirklichkeit kaum besser aussehen wird: nämlich schick und langweilig.

Es bleibt die Frage, was sich einmal unter dem riesigen Zeltdach – im Forum – abspielen wird. Dort wird mit Gastronomie, Kinos, Video-Wänden und Läden um das Publikum geworben, das den Potsdamer Platz beleben soll. Nach den toten Häuserschluchten am debis- Hochhaus, in die man sich am besten nur unter Begleitschutz hineinwagen sollte, müßte dies doch der Treffpunkt für die Hauptstädter werden.

Oder doch nicht? Sony hat dem bereits einen kleinen Riegel vorgeschoben. Der öffentliche Raum aus Straßen und Plätzen ist in Wirklichkeit gar keiner, haben Planer moniert.

Das Forum bleibt ein privater Ort von Sony, der im Sinne des Investors bespielt wird. Und damit alles genau nach Drehplan verläuft und nicht zuviel Lebendigkeit Einzug hält, regeln gleich private Ordnungskräfte den Treffpunkt – der dann keiner mehr ist. Rolf Lautenschläger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen