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Das Brüllen der Filmkunst-Löwen

■ Die Schauburg- und Europa-Betreiber haben jetzt drei weitere Kinos gekauft, doch die Konkurrenz baut schon

Im Ringen um die Aufteilung des Bremer Kinomarktes hat eine neue Runde begonnen. Nachdem die Ufa im Vorgriff auf die Eröffnung des Cinemaxx im Mai ihr Kino Stern schon geschlossen hatte, hat sich jetzt auch die „Kinowelt“ als Kinobetreiber aus Bremen zurückgezogen. Ihre dreieinhalb Kinos – Atlantis, Filmstudio plus Atelier und Gondel – hat sie zum 1. September an die Bremer Firma Atlantis-Filmstudio-Gondel GmbH verkauft. Gesellschafter dieser GmbH sind Manfred Brocki und Karl-Heinz Rigbers. Durch andere Beteiligungen haben sie, was die Zahl der Kinos betrifft, durch diese Übernahme inzwischen zum Cinemaxx und seinen zehn Sälen aufgeschlossen.

Die neuen Besitzverhältnisse in den beiden Innenstadtkinos und der Gondel in Schwachhausen werden mit dem Start der neuen Kinowoche für BesucherInnen schon heute spürbar. Die auffälligste Veränderung: Brocki und Rigbers, die über den Kaufpreis keine Angaben machne, wandeln das Filmstudio am Herdentorsteinweg 39 in ein sogenanntes One-Dollar-Kino um. Für einen Eintritt in Höhe von 2,50 Mark werden dort erfolgreiche Filme etwa drei Monate nach ihrem Start erneut gezeigt. Im Atelier im gleichen Haus lassen die Beiden im wöchentlichen Wechsel Originalfassungen über die kleine Leinwand flimmern. Das Atlantis an der Böttcherstraße wollen sie im Zwei-Wochen-Rhythmus für Erstaufführungen reservieren. Und die Gondel soll weiterhin Filmkunst zeigen – laut Brocki allerdings in einer breiteren Palette als bisher.

InsiderInnen deuten nach der Stern-Schließung zum 1. April auch diese Übernahme als Folge der Cinemaxx-Eröffnung. Das schlägt sich deutlich in Zahlen nieder: „In der ersten Woche hatte das Cinemaxx 18.000 Besucher und alle übrigen Bremer Kinos nur tausend“, weiß der Geschäftsführer des Cinema-Ostertor, Thomas Settje. Ähnlich sei die Verteilung in den folgenden Wochen gewesen. Ausgerechnet das Katastrophenschiff „Titanic“ hat mehreren Bremer Kinos zu einem Speckpolster verholfen, um diese Durststrecke zu überstehen. Denn die Cinemaxx-Eröffnung kam für die Betreiber des 3.000-Plätze-Kinos zu spät, um auch in Bremen vom Mega-Seller des Jahres zu profitieren.

Aber der Reiz des Neuen scheint ganz langsam zu verblassen. Das Cinema und die Schauburg seien inzwischen jedenfalls über den Berg, sagt Settje weiter. Ähnlich sieht es Manfred Brocki: „Der Film ,Lola rennt' hatte am ersten Wochenende in der Schauburg mehr Zuschauer als im Cinemaxx und hielt auch in der zweiten Woche gut mit.“ Doch Brocki gesteht ein: „Unser Sorgenkind ist das Europa.“ Das soll zusammen mit den drei Sälen des City zum „Filmkunst-Zentrum“ in der Innenstadt werden. „Damit haben wir eine Linie gefunden“, glaubt Brocki. Ob das Konzept aufgeht, werde sich aber erst im Herbst zeigen.

Zur Zeit schält sich eine Zweiteilung im Bremer Kinomarkt heraus. Das Cinemaxx spielt zwar auch sogenannte Filmkunst, setzt aber vor allem auf Hollywood-Mainstream oder „Popcorn-Kino“ wie „Godzilla“ oder „Zorro“ und macht damit den verbliebenen zwei Hauptkonkurrenten Ufa-Palast und UT-Kino das Überleben schwer. Deren Besucherzahlen seien niederschmetternd gering, weiß die Bremer Kinoszene, die durch wöchentliche Tabellen ziemlich genau auf dem Laufenden ist. Auf der anderen Seite ist ein „Filmkunst-Trust“ entstanden, zu dem die Kinos Europa/City, Atlantis/Filmstudio/Gondel und die Schauburg gehören. Formell ist er in drei GmbHs gegliedert. Doch Brocki, der auch in vier Delmenhorster Kinos das Programm koordiniert, ist in allen GmbHs Co-Geschäftsführer. Durch Absprachen ist auch das Cinema-Ostertor mit dem Bremer Filmkunst-Löwen verbunden.

Gleichwohl ist diese Runde im Kinopoker noch lange nicht die letzte. Zur Zeit baut der vor allem in Ostdeutschland aktive Lübecker Kinokonzern Kieft & Kieft ein Großkino am Weserpark. Es soll nach Angaben eines Unterneh-menssprechers im Herbst nächsten Jahres eröffnen. Als weitere Standorte für Großkinos, also für Kinos mit mehr als 2.000 Plätzen, sind das Gelände Haven Höövt in Vegesack und der Space Park vorgesehen. Nicht unter den Status „Großkino“ fällt das Projekt am Roland-Center. Es soll, so ein Sprecher des Huchtinger Einkaufszentrums, „nur“ 1.800 Plätze haben. Zusätzliche Konkurrenz im Buhlen um BesucherInnen aus dem Umland wird durch ein neues Multiplex-Kino in Oldenburg entstehen.

Laut einer Vorlage der Baudeputation gab es vor Eröffnung des Cinemaxx in Bremen 36 Kinosäle mit insgesamt 5.715 Plätzen. Sollten alle beantragten Projekte verwirklicht werden, kämen nach den 3.000 Plätzen im Cinemaxx weitere 9.500 Plätze hinzu. Die Genehmigung weiterer Großkinos mit 2.000 Plätzen und mehr will sich die Deputation aber vorbehalten. Schlechte Karten haben dabei Multiplex-Kinos auf der „grünen Wiese“ – innerhalb Bremens. ck

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