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„Von grünen Tarifen halte ich nichts“

■ Erst sind es Nischen, dann ist es Markt: Interview mit Fritz Vahrenholt, Mitglied des Vorstands der Deutschen Shell AG

Am 4. Juni hat Shell Solar Deutschland in Gelsenkirchen den Grundstein für die weltweit größte Anlage zur Herstellung von Solarzellen gelegt. Mit Fritz Vahrenholt sprach Michael Franken.

taz: Warum steigt Shell in die Solarzellenproduktion ein?

Fritz Vahrenholt: Die Royal Dutch/Shell Gruppe hat aus drei Gründen 1997 beschlossen, die erneuerbaren Energien als fünften Geschäftszweig aufzubauen – neben Erdöl- und Erdgasförderung, Mineralöl, Kohle und Chemie. Erstens: Die Endlichkeit von Öl- und Gasressourcen werden im Verlaufe des nächsten Jahrhunderts spürbar. Zweitens: Bevor Knappheiten zu erheblichen Verteuerungen führen, werden die durch CO2 und Methan ausgelösten Klimaveränderungen zu einer Forderung nach Drosselung der Verbrennung fossiler Brennstoffe führen. Drittens: Regenerative Energien haben weltweit eine große Marktchance. Shell konzentriert sich auf Solarenergie, vornehmlich Photovoltaik, sowie auf die Nutzung von Biomasse. Bei der Windenergie prüfen wir, ob das erworbene Know-how bei Offshore-Anlagen eingesetzt oder nutzbar gemacht werden kann.

In den kommenden fünf Jahren will Shell knapp eine Milliarde Mark in den Geschäftszweig „erneuerbare Energien“ investieren. Rechnet sich so eine Investition?

Wir denken ja. Wir investieren, um damit langfristig Geld zu verdienen. Die Gesellschaften der Royal Dutch/Shell Gruppe bewerten ständig die Marktchancen für erneuerbare Energieträger. Beispiel: Photovoltaik ist bei der reinen netzbezogenen Anwendung zur Zeit zwar noch um einen Faktor sechs bis sieben von der Wirtschaftlichkeit entfernt. Die Entwicklung von industriellen Fertigungsmethoden bei gleichzeitiger Schaffung von Märkten sollen Kostensenkungspotentiale ausschöpfen und Photovoltaik bis zum Jahr 2020 mit konventionellen Energieträgern voll konkurrenzfähig machen. Aber heute schon sind Inselsysteme wettbewerbsfähig! Zwei Milliarden Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern haben keinen Zugang zum Stromnetz. In vielen Fällen ist Photovoltaik preiswerter als ein Stromnetz zu verlegen.

Wie sieht die Energieversorgung in 50 Jahren aus, und welche Rolle werden die erneuerbaren Energien spielen?

Ein Vergleich der industrialisierten Länder mit den Entwicklungsländern zeigt, daß regenerative Energien an Bedeutung gewinnen werden und müssen, denn der steigende Weltenergieverbrauch als Folge des starken Bevölkerungswachstums und des Strebens nach einem verbesserten Lebensstandard in den Entwicklungsländern kann durch fossile Energieträger allein nicht befriedigt werden. Dazu haben wir bei Shell zwei Szenarien bis zum Jahr 2060 erarbeitet. In beiden wird von der gleichen Bevölkerungsentwicklung und vom gleichen Wirtschaftswachstum ausgegangen. Die Energiebilanz sieht jedoch unterschiedlich aus. Beide Szenarien prognostizieren aber, daß sich die regenerativen Energien im Rahmen eines Reifeprozesses weiterentwickeln, indem sie zunächst Marktnischen besetzen und sich dann mit unterschiedlichem Erfolg im Markt durchsetzen. Konkret könnten erneuerbare Energiequellen bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts rund 50 Prozent des Weltenergiebedarfs decken.

Derzeit hat Photovoltaik nur in Nischen Platz. Solarstrom vom Dach ist noch zu teuer. Wie müßten Markteinführungsstrategien aussehen, um der Photovoltaik zum Durchbruch zu verhelfen?

Heute liegt der Anteil der Photovoltaik an der Stromerzeugung in Deutschland bei etwa 0,004 Prozent. Selbst bei einem angenommenen jährlichen Wachstum von 30 Prozent würde dieser Anteil im Jahre 2010 erst bei rund 0,13 Prozent liegen. Um den Unternehmen, die auf dem Gebiet der erneuerbaren Energie tätig sind, eine vernünftige Planungsgrundlage an die Hand zu geben, muß in Deutschland – besser noch in Europa – eine klare, konsistente Politik betrieben werden. Im Vordergrund sollten stehen: die Förderung von Forschung und Entwicklung an den Universitäten sowie in den Unternehmen; die Erarbeitung einer Markteinführungsstrategie, die auch die Rolle der öffentlichen Hand als wichtigen Nachfrager klärt; eine Exportunterstützung bei Entwicklungshilfeprojekten; eine einheitliche und auskömmliche Einspeisevergütungen für Strom aus regenerativen Energiequellen. Als Alternative ist die gesetzliche Vorgabe eines stetig wachsenden, verbindlichen Anteils von „Öko-Strom“ an der Stromversorgung denkbar.

„Grüne Tarife“ kontra „kostendeckende Vergütung“: Was bringt mehr für die Anwendung der Photovoltaik?

Von einem „grünen Tarif“ halte ich nicht viel, denn damit werden nur sehr umweltbewußte Bürger angesprochen, sicher aber nicht die breite Masse. Die Praxis belegt meine Skepsis. Wir müssen aufpassen, daß ein „grüner Tarif“ nicht zu einer Art Feigenblatt verkommt. Ich denke, die Strategie muß breiter angelegt sein. Eine erhöhte Einspeisevergütung, die auf alle Kunden umgelegt wird, halte ich für den besseren Weg.

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