Vietnamesische Mafia ist nachgewachsen

■ Landeskriminalamt spricht von "versuchten Tötungsdelikten im Wochenrhythmus". Die 1997 aufgelöste Sonderkommission wurde im März wieder eingesetzt. Szenekenner: Bandenstruktur wurde nie vollständig z

Die vietnamesischen Mafiabanden haben sich von den umfangreichen Ermittlungen und spektakulären Festnahmen wieder erholt. Das Landeskriminalamt (LKA) macht „versuchte Tötungsdelikte unter Vietnamesen“ bereits wieder „im Wochenrhythmus“ aus. Die im Juli 1997 unter großem Medienrummel aufgelöste Sonderkommission Vietnam des LKA wurde bereits im März als dauerhaftes Kommissariat wiederbelebt.

Auch ein Vietnamese, der am Samstag in Marzahn auf offener Straße erschossen wurde, wurde offenbar Opfer von Streitigkeiten zwischen vietnamesischen Gruppen. Zwar sind die Hintergründe für die Bluttat noch unklar. Die bisherigen Ermittlungen sprächen aber, so Detlef Schade vom LKA, für eine Einordnung des Verbrechens in die vietnamesische Organisierte Kriminalität. Nach Polizeiangaben handelt sich bei dem Getöteten um einen 28jährigen, der im vergangenen Jahr beim illegalen Zigarettenhandel ertappt worden war.

Eine genaue Statistik gebe es noch nicht, so Schade, weil bei einigen Verbrechen „die Ermittlungen erst zeigen müssen, ob sie der Organisierten Kriminalität zuzurechnen sind oder ob hier Privatfehden ausgetragen wurden“. Doch daß die Bandenkriege unter Berliner Vietnamesen bereits beachtlich sind, steht für Schade fest. Es sei reiner Zufall, daß es erst jetzt wieder einen vollendeten Mord gegeben habe. Bei der vorläufigen Auflösung der LKA-Sondereinheit hatte es noch geheißen, die kriminellen Strukturen der Vietnamesen seien dank der Fahndungserfolge zerschlagen. Während es 1996 noch 19 Morde im Milieu gab, gab es 1997 lediglich einen.

Anders als die Polizeiführung haben Leute von Beratungsstellen für Vietnamesen und selbst polizeiinterne Kritiker nie wirklich an die Zerschlagung der Mafiagruppen geglaubt. „Den Banden wurden lediglich die Köpfe abgeschlagen. Doch sie sind schnell nachgewachsen“, sagt eine Kennerin der Szene. Nach wenigen Wochen Schonzeit seien die Zigarettenverkäufer wieder von Verwandten der verhafteten Mafialeute abkassiert worden. Wer nicht gezahlt habe, sei verprügelt worden.

Die Polizei mußte schließlich ihre Entscheidung revidieren und die Vietnam-Spezialisten wieder arbeiten lassen. Das LKA setzt nun auch auf „das gestiegene Vertrauen der Vietnamesen in die Polizei“. Anders als zu Beginn der 90er Jahre würden Verkäufer unversteuerter Glimmstengel heute Aussagen bei der Polizei machen.

Die Banden selbst kümmern sich nicht direkt um den Verkauf von Zigaretten. Sie nutzen nur die Illegalität der Händler aus, um von ihnen Schutzgelder zu erpressen. Der eigentliche Handel mit Schmuggelzigaretten verläuft heute dezent und unauffällig. Die Zollverwaltung weiß von einer Art „Pizza-Service“: Auf Bestellung bringen vietnamesische und manchmal auch deutsche Lieferanten die unverzollte Ware direkt in die Wohnung oder die Firma des Kunden. Marina Mai

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