: Rechte Post mit Beipackzettel
Post AG verteilt seit gestern auch in Hamburg Wahlwerbung für die DVU ■ Von Elke Spanner
Pausenlos rollen Paketbusse vom Hof des Postzustellamts in Niendorf. Während einige BriefträgerInnen sich gerade mit vollbepackten Fahrrädern zu ihren Touren aufmachen, schlendert Dieter F. gelassen über den Hof. Er hat sich für heute freigenommen. Für ihn ist das kein Urlaub, sondern politisches Engagement: Ab heute werden in Hamburg Wahlwerbesendungen der rechtsradikalen Deutschen Volksunion (DVU) ausgeliefert, und die Entscheidung, nicht zu deren Wahlhelfer zu werden, kann sich der Briefträger nur mit einem freien Tag erkaufen.
Den hätte auch Frederik G. gerne genommen, denn eigentlich will er „nicht dafür verantwortlich sein, wenn jemand bei diesem rechten Verein landet“. Doch „unsere Personalsituation erlaubt das nicht“, seufzt er. Und die Personalpolitik der Deutschen Post AG erlaube es nicht, sich dem Austragen der rechten Pamphlete zu verweigern, setzt Ingrid Pöhland genervt hinzu. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Postgewerkschaft im Bezirk Nord. Heute morgen ist die resolute Frau auf den Beinen, um ZustellerInnen wie Dieter F. ihre bedingungslose Unterstützung zuzusichern, denn ihnen drohen disziplinarrechtliche Schritte. Gerade will die Gewerkschafterin den Mittelweg erklären, den die Post AG gewählt hat, um sich aus dem Spannungsfeld von Profit und Politik herauszumogeln. Will die Begleitzettel zeigen, die die Post den rechten Wurfsendungen beifügt und die Pöhland als „Feigenblatt“ betrachtet – da klingelt ihr Telefon. GewerkschaftsgenosInnen aus Rostock sind an der Strippe. Auch sie sollen heute braune Post unters Volk bringen – allerdings ohne Beipackzettel.
Pöhland ist erst empört, dann hört sie, daß Rostocks Zusteller sich geschlossen weigern wollen, die DVU-Post zu verteilen. Ein zufriedenes Grinsen huscht über ihr Gesicht. „Die Post AG hätte hier ein politisches Signal setzen können“, sagt sie. Denn diesmal verschickt die DVU zur Werbung ihre Deutsche Wochenzeitung. Anders als bei adressierten Briefen im Kuvert sei die Post zu deren Verteilung nicht verpflichtet: „Das hätten auch Privatfirmen machen können.“
Statt für ein politisches Signal entschied sich die Post indes nur für ein halbherziges Signal und druckte Begleitzettel zu den braunen Pamphleten. Darauf bittet die Post alle Empfänger, „zwischen unseren Aufgaben als Dienstleistungsunternehmen und unserer Einstellung zu religiösen, politischen und weltanschaulichen Themen zu unterscheiden“.
Die darin liegende Zumutung hat die Post selbst erkannt. Nichtdeutsche Briefträger werden zum Verteilen nicht eingesetzt, und ausländische Haushalte sollen die Nazipost auch nicht bekommen, lautet die Weisung. Frederik G. wird deshalb auf seiner Route ganze Straßenzüge auslassen. Komplett verweigern könne er aus Angst um seinen Arbeitsplatz nicht, denn „ich arbeite nun mal bei der Post, die das Geld von der DVU kassieren will“.
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