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Echtes Crashthema für eine rot-grüne Koalition

■ Ob Benzinsteuer, Transrapid, Tempolimit oder das Schienennetz der Bahn: In der Verkehrspolitik gibt es zwischen SPD und Bündnisgrünen noch jede Menge Streitpunkte

Berlin (taz) – Wenn eine Ampel zugleich rot und grün zeigt, sorgt das nicht gerade für die zügige Auflösung eines Staus. Auch im Fall einer rot-grünen Koalition kann es im Verkehrsbereich zu Stillstand oder gar Karambolagen kommen. Während die Grünen im Rahmen ihres Ökosteuerkonzepts den Sprit im ersten Jahr um 50 Pfennig teurer machen und dafür die Kfz-Steuer abschaffen wollen, hat Kanzlerkandidat Gerhard Schröder bereits via Bild erklärt: Bei sechs Pfennig mehr pro Liter Benzin ist „das Ende der Fahnenstange“ erreicht. Das Geld will Schröder zur Gegenfinanzierung der Steuerreform – nicht nur zur Senkung der Lohnnebenkosten – verwenden. Sehr weit würde er damit allerdings nicht kommen: Gerade einmal 2,7 Milliarden Mark ließen sich so erzielen.

Beim Thema Transrapid sind sich die SPDler auch untereinander keineswegs einig. Kanzlerkandidat Schröder hat die Magnetschwebebahn zwischen Hamburg und Berlin in den vergangenen Wochen klar befürwortet. SPD- Bundestagsabgeordnete haben sie dagegen immer wieder als „unsinniges Projekt“ und „Milliardenflop“ gegeißelt. Doch während die Bündnisgrünen die Schwebebahn grundsätzlich für überflüssig halten, sagt die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Elke Ferner: „Die Technik als solche ist okay. Aber die Strecke zwischen Hamburg und Berlin ist falsch ausgewählt.“

Das war früher auch Schröders Meinung. Im Bundesrat hatte er 1994 gegen das Projekt gestimmt. Doch die Sozis in Rheinland-Pfalz, Hamburg und Hessen hoben ihre Hände für das entsprechende Gesetz. Und so wurde der Bedarf für die Magnetbahn schließlich mit SPD-Hilfe verabschiedet. Elke Ferner weist immer wieder auf die finanziellen Risiken für Bund und Bahn AG hin. „Mit gutem Gewissen kann keine Bundesregierung – egal welche drankommt – die Verträge unterschreiben, so wie sie bisher geplant sind.“

Insider gehen davon aus, daß vor allem Wolfgang Clement, Ministerpräsident in Nordrhein- Westfalen, den SPD-Kanzlerkandidaten in punkto Transrapid gewendet hat. Clement versucht mit aller Macht, den Großauftrag für Thyssen zu retten. In Schröders Umgebung hatten einige insgeheim gehofft, daß die Verträge mit der Industrie noch von der CDU/ CSU/FDP-Bundesregierung abgesegnet würden, um Ärger mit der eigenen Fraktion zu vermeiden und auch bei möglichen Koalitionsverhandlungen mit den Grünen einen Konfliktherd weniger zu haben. Doch diesen Gefallen hat ihnen Verkehrsminister Matthias Wissmann nicht getan. Wo eine Kompromißlinie liegen könnte, die Schröder sein Gesicht wahren läßt und zugleich die Magnetschwebebahn zwischen Berlin und Hamburg doch noch verhindert, wird derzeit informell an verschiedenen Stellen diskutiert. Gesucht wird nach einer relativ kurzen Strecke, wo der Transrapid möglichen Interessenten aus dem Ausland vorgeführt werden kann und verkehrspolitisch noch einigermaßen Sinn macht. Vor allem Flughafenanbindungen sind im Gespräch.

Sowohl SPD-Bundestagsfraktion als auch die Bündnisgrünen kritisieren den Bundesverkehrswegeplan von 1992 und plädieren für neue Prioritäten. „Er ist vom Umfang und vom Zeitrahmen her völlig überzogen“, heißt es in einem SPD-Grundsatzpapier. Allerdings darf dabei nicht vergessen werden, daß die SPD-regierten Länder an seinem Zustandekommen massiv beteiligt waren. Denn der Bundesverkehrswegeplan setzt sich aus den Wunschzetteln der Länder zusammen – und die SPD-Regierungen waren dabei keinesfalls zurückhaltender als die Kollegen von der CDU.

„Kein Kommentar“, dringt von der SPD nach außen, wenn es um die Leitung DB AG geht. Doch relativ klar ist, daß im Falle einer SPD-Regierung Bahnchef Ludewig seinen Sessel räumen muß. Im Gespräch für seine Nachfolge ist Klaus Daubertshäuser, der zur Zeit den Nahverkehrsbereich der DB AG leitet. Der Mann wird aber auch als möglicher Verkehrsminister gehandelt, weil es der SPD an geeignetem Personal fehlt. Und den Bündnisgrünen das Ressort zu überlassen, ist Alt-SPDlern auf jeden Fall zu riskant.

„Uns geht es als erstes um eine neue Zielvorstellung für die Bahn. Wenn das mit dem vorhandenen Personal nicht umzusetzen ist, dann müssen die Köpfe ausgetauscht werden“, so die für bündnisgrüne Verkehrspolitik zuständige Gila Altmann. Doch eine zweite Bahnreform, wie sie die Grünen zusammen mit zahlreichen Bürgerinitiativen fordern, ist mit der SPD wohl kaum zu machen. Sie will nicht daran rütteln, daß die Bahn das Netz durch Trassengebühren finanzieren muß, während in anderen Ländern wie Holland und Schweden der Staat die Kosten für Straßen und Schienen gleichermaßen trägt und dadurch die Chancen für den Zugverkehr massiv erhöht. Immerhin steht für die SPD die acht Milliarden Mark teure ICE-Strecke durch den Thüringer Wald, gegen die die Grünen seit Jahren Politik machen, ebenfalls auf dem Prüfstand. „Erst einmal müssen andere Varianten geprüft werden“, so Ferner.

Ob die deutsche Verkehrspolitik in einer rot-grünen Koalition tatsächlich anders aussieht als die der heutigen Bundesregierung? Ob Forderungen von Verbänden wie dem Fußgängerschutzverein, parken auf Gehwegen zu verbieten, eine Chance haben? Die Fraktion in der SPD, die die Straßenbaupolitik der vergangenen Jahrzehnte fortsetzen will, ist nach wie vor stark. In rot-grün regierten Ländern ist vom Umsteuern kaum etwas zu spüren – sei es bei der Flughafenpolitik in Nordrhein- Westfalen oder der A 20 in Schleswig-Holstein, wo die Grünen klein beigegeben haben. Immerhin legte der Nahverkehr in Sachsen-Anhalt deutlich zu – aber das ist in Rheinland-Pfalz und Bayern nicht anders. Wenn es nicht zur völligen Marginalisierung grüner Verkehrspositionen kommen soll, werden sich die Grünen wohl oder übel auf Kompromisse einstellen müssen. Die Alternative: Schröder pur. Annette Jensen

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