Hungeraufstände in Indonesien

■ Auf Sumatra demonstrieren Tausende Menschen gegen ihre Not und fackeln Hunderte von Gebäuden ab. Regierung verspricht Reformen

Bangkok (taz) – Hungrige Bauern plündern Plantagen und stehlen den Krabbenzüchtern die Tiere aus den Teichen. Dorfbewohner überfallen ihre Nachbarn und rauben Ziegen, Hühner und Getreidevorräte. Bewaffnete Banden kapern Reistransporter und Lagerhäuser. Immer häufiger brennen Geschäfte, Hotels, Marktstände und Wohnhäuser. Lokale Beamte und Polizisten, die von den Bewohnern häufig als korrupt bezeichnet werden, stehen dieser Entwicklung machtlos gegenüber.

Obwohl die Armee herbeigerufen worden war, versammelten sich auch gestern wieder in dem indonesischen Ort Bagansiapi-api in Süden der Insel Sumatra Tausende und steckten Hunderte Gebäude an. Zuvor war die Menge randalierend durch die Straße gezogen.

Wie häufig in den letzten Monaten waren die ersten Opfer chinesischstämmige Kaufleute, die den Handel dominieren und für die heftigen Preissteigerungen verantwortlich gemacht werden. Auslöser der Krawalle in der Küstenstadt war ein Gerücht: Nach einem Autounfall, an dem Chinesen beteiligt waren, sei ein indonesischer Fahrgast ums Leben gekommen, hieß es. Viele chinesischstämmige Indonesier flüchteten sich daraufhin in andere Städte.

Ob die Unruhen spontan sind oder, wie viele Indonesier meinen, von unbekannten politischen Gruppen oder Einheiten der Armee geschürt werden, ist unklar. Erst kürzlich machte Armeechef Wiranto vor dem Parlament ungenannte Kräfte für die Gewalt verantwortlich, die „die Einheit des Landes zerbrechen“ könne.

Die wirtschaftlichen Aussichten des Staates mit knapp 200 Millionen EinwoherInnen sind düster: Seit Juli haben sich die Preise für Grundnahrungsmittel verdoppelt. Bis zum Ende des Jahres, so hat die Regierung gewarnt, werden 80 Millionen Menschen nicht mehr wissen, wie sie die nötigsten Lebensmittel kaufen können. Schon jetzt essen Millionen Familien nur eine Mahlzeit am Tag – besonders in den riesigen Armenvierteln der großen Städte. Obwohl die Regierung und der Internationale Währungsfonds (IWF) in diesem Jahr 4,1 Millionen Tonnen Reis importieren wollen, reicht das bei weitem nicht aus.

Die Reispreise steigen nur zum kleinen Teil wegen der El-Niño- Dürre des letzten Jahres und schlechter Ernten. Entscheidender ist nach Ansicht von Kaufleuten, daß es an der Verteilung im Land hapert. Die staatliche Organisation Bulog, die unter dem im Mai gestürzten Präsidenten Suharto das Monopol für die Vermarktung hatte, bekam seitdem private Konkurrenz. Bulog-Mitarbeiter wurden wegen illegaler Exporte von Reis festgenommen.

Die Regierung hat angekündigt, Mittelsmänner auszuschalten und staatlich unterstützte Kooperativen einzusetzen. Die allerdings haben den Ruf, nicht effektiv zu sein. Präsident Habibie hat die Bevölkerung zur „Geduld“ aufgerufen und Reformen versprochen. Doch leere Mägen lassen sich nicht vertrösten. Jutta Lietsch