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Rot-grün gespaltener Antifaschismus

In Langenhorn streiten sich Politiker über einen Straßennamen  ■ Von Elke Spanner

Politik wird nicht nur im Rathaus, sondern auch auf der Straße gemacht. Gerade Hamburger Straßen werden zur Zerreißprobe so mancher Regierungskoalition, genauer: Deren Namen. Erst in der vergangenen Woche entschied sich die Bezirksversammlung Wandsbek nach hartem Gerangel dagegen, einen bislang unbenannten Platz mit dem Namen des Schriftstellers Arnold Zweig zu versehen. Nun gibt es auch in Langenhorn Streit. Heute treffen sich die dortigen Koalitionspartner SPD und GAL zum Krisengespräch.

Die Weygandt-Straße in Langenhorn ist eine schlechte Adresse. Nicht etwa, weil sich die Wohnhäuser unangenehm vom Stadtbild abheben. Aber wer dort wohnt, trägt den Namen eines NS-Eugenikers auf der Visitenkarte. Dr. Wilhelm Weygandt, so fand 1996 eine Studentin heraus, gehörte zu den geistigen Wegbereitern der faschistischen Rassenlehre.

Diesen Ruch von den unbescholtenen AnwohnerInnen zu nehmen, ist der einhellige Wunsch aller Fraktionen im Ortsausschuß Fuhlsbüttel. Doch während die GAL die Straße umbenennen, die Schilder abmontieren und alle Visitenkarten einstampfen lassen will, plädiert die CDU für eine pragmatische Lösung: Sie will die Straße nicht umbenennen, sondern umwidmen. Im 16. Jahrhundert, so fand die Fraktion heraus, lebte ein Nachnamens-Vetter „mit der gleichen Schreibweise“, freut sich Herwart Wiederholt, CDU-Fraktionschef im Ortsausschuß. Jener Weygandt sei ein regelrechter Vorkämpfer der Demokratie gewesen und damit durchaus ehrenswert. Zwar war er kein Hamburger, sondern Mainzer, und Wilhelm hieß er auch nicht, sondern Friedrich, aber da auf dem Straßenschild ohnehin nur der Nachname stehe, sei das egal.

Wolfgang Guhle, Fraktionsvorsitzender der GAL, hat dafür nur Kopfschütteln übrig. „Etikettenschwindel“, schimpft er, und: „Die CDU will gar nicht Friedrich Weygandt ehren, sondern mißbraucht ihn, um Wilhelm Weygandt zu kaschieren.“ Seine Fraktion hat den Antrag gestellt, die Straße nach der Langenhorner Lehrerin und Antifaschistin Anita Sellenschloh zu benennen. Die, so ergänzt die GAL-Sprecherin im Ortsausschuß Karin Gritzuhn, habe eindeutigen lokalen Bezug und sei „als Opfer des Nationalsozialismus eine überzeugende Alternative“.

Zum Zünglein an der Waage wird nun die SPD. Am kommenden Montag stimmt der Ortsausschuß ab. Wie die SPD votieren wird, will Fraktionschef Klaus Bokelmann nicht verraten. Dem grünen Koalitionspartner hat die SPD aber bereits mitgeteilt, daß sie sich der Stimme zu enthalten gedenke – was ob der Mehrheitsverhältnisse einer Zustimmung zum CDU-Antrag gleichkommt.

Neue Schilder bräuchten dann wohl nicht gefertigt zu werden. Dafür müssen sich SPD und GAL heute bei einem Krisengespräch über ihr Koalitionsverständnis streiten. Die SPD ist sauer, daß die GAL unabgesprochen einen eigenen Antrag gestellt hat, und der Koalitions-partner wiederum hält es „für gefährlich, wenn Rot-Grün in so entscheidenden Fragen wie Antifaschismus gespalten ist“.

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