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Mißbilligungsantrag gescheitert

■ Nur die Opposition stimmte wegen der Verfassungsschutzaffäre gegen Innensenator Schönbohm und Staatssekretär Böse

Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) mußte seine Verteidigungsrede zur Verfassungsschutzaffäre gestern im Parlament selbst halten. Kein hochrangiges CDU- Mitglied stellte sich öffentlich vor den Senator. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) klatschte bei Schönbohms Rede nicht einmal Beifall, als einzige Geste des Beistands setzte er sich kurz zu Schönbohm und legte ihm die Hand auf die Schulter.

Auch der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland bemerkte das auffällige Schweigen der CDU- Spitze: „CDU-Fraktionschef Landowsky hat heute seinen Schweigetag.“ Zur Seite sprangen dem Innensenator, der nicht so schneidig wie gewohnt auftrat, zwei CDU- Redner, die dem Verfassungsschutzausschuß angehören.

Deutliche Worte für Schönbohms Versagen fand die Fraktionssprecherin der Grünen, Renate Künast. Sie warf Schönbohm vor, sich um die politische Verantwortung für die Fehler beim Verfassungsschutz zu drücken. Er „verkriecht sich hinter kleinen Beamten“. Nach dem Motto: „Ich bin es nicht, der Oberinspektor ist es gewesen.“ Sie warf Schönbohm und seinem Staatssekretär Kuno Böse vor, zu wenig geprüft zu haben, wie das Behördenzeugnis zustande kam, in dem der Polizist Otto D. zu Unrecht als Scientology-Mitglied beschuldigt wurde.

Künast demontierte die Verteidigungslinie des Innensenators. Er hatte die Beschäftigung von Stasi- Spitzeln beim Verfassungsschutz auch damit gerechtfertigt, daß mit ihnen keine Dienstverhältnisse eingegangen würden. Künast verwies darauf, daß V-Leute je nach Nachrichtenleistung 500 bis 2.000 Mark monatlich erhalten, netto und bar auf die Hand. Es gebe V-Leute, die seit mehr als zehn Jahren für das Landesamt tätig seien. Auch ohne Arbeitsvertrag seien sie bei der Nachrichtenbeschaffung von zentraler Bedeutung.

Für die PDS, die den Mißbilligungsantrag gegen Innensenator Schönbohm und einen Antrag auf Entlassung von Staatssekretär Kuno Böse (CDU) gestellt hatte, kritisierte Fraktionschef Harald Wolf, daß es sich Böse bei der Überprüfung des Stasi-Spitzels zu einfach gemacht habe. Er habe sich mit einem – wie sich herausstellte, geschöntem – Aktenvermerk zufriedengegeben, anstatt selbst die Originalakten zu sichten. Dies gelte auch für Schönbohm.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Hans-Georg Lorenz, kritisierte den Innensenator in der Sache scharf, aber im Stil ungewohnt gemäßigt. Er forderte den Senator zu einer schnellen Umstrukturierung des Verfassungsschutzes auf und sprach eine deutliche Drohung aus: Die SPD werde dabei den Erfolg oder Mißerfolg des Innensenators messen. „Es wäre schön, wenn wir Erfolge feiern könnten, statt aus Mißerfolgen eines Tages negative Konsequenzen ziehen zu müssen.“

Doch die Koalitionsdisziplin hielt. Für den Mißbilligungsantrag gegen Schönbohm stimmten 61 der insgesamt 64 Abgeordneten der Opposition. SPD und CDU stimmten geschlossen dagegen. Zwei SPD- und ein CDU-Abgeordneter enthielten sich. Auch die Rücktrittsaufforderung an Staatssekretär Böse unterstützten nur 60 Oppositionsabgeordnete. Über einen Mißtrauensantrag der Grünen gegen Schönbohm wird am Samstag abgestimmt. Dorothee Winden

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