: Die Legende der verdreckten Bio-Tonne
■ Statt zu kompostieren, wird 60 Prozent des in Bremer Bio-Abfalls verbrannt. Dabei ist diese Masse nicht wirklich verunreinigt. Aber die Kompostierungsanlage schafft die Menge nicht.
Wie oft mahnen Eltern ihre Kinder: „Werft keine Papierkügelchen in die Bio-Tonne!“ Wieviele Wohngemeinschaften mögen sich schon über einem unsachgemäß befüllten Küchenabfallbehältnis verkracht haben? Wieviele mülltrennende BremerInnen mit einer roten Karte auf dem Bio-Gefäß als Abfall-Frevler gebranntmarkt worden sein? Dabei ist bislang viel Anstrengung des Abfallsortierens vergebens: 60 Prozent der gesammelten Bio-Müll-Masse landet laut Umweltbehörde im Ofen der Müllverbrennungsanlage (MVA). Zu dreckig, um wie vorgesehen kompostiert zu werden, so die beredte Klage der Entsorgungswirtschaft. Die Leute seien zu doof, sauber zu trennen. Oder sie nutzen die Gratis-Bio-Tonne als billige Entsorgungsmöglichkeit für teuren Restmüll.
Die Wahrheit ist eine andere. Bremer Biomüll ist nicht dreckiger als andernorts. Eine Studie des Bodenökologischen Labors hatte schon 1996 eine Verunreinigung von nur rund fünf Prozent festgestellt, Umweltschützer beim BUND gehen davon aus, daß die Quote mit zunehmender Gewöhnung eher besser geworden ist. Sehr wohl könnte man also nach derzeitigem Stand der Technik einen größeren Anteil kompostieren, wie auch intern eingeräumt wird: Aber die Kapazität der neuerdings aus dem Besitz der städtischen BEB auf die private Firma KNO übergegangene Kompostierungsanlage ist zu gering.
21.000 Tonnen Biomüll werden jährlich eingesammelt und zur Anlage auf der Blockland-Deponie gefahren. 5.000 Tonnen grobe Gartenabfälle und anderer Dreck werden ausgesiebt, bleiben 16.000 Tonnen. Zur Zeit können in der Anlage aber nur 9.000 Tonnen pro Jahr geregelt verrotten. Egal also, wie rein oder verschmutzt der Rest wäre: Kompostierbar sind jene 7.000 Tonnen zur Zeit in Bremen nicht. Stattdessen werden sie mit Sperrmüll vermengt und in der MVA verbrannt. Das ist praktisch, weil Sperrmüll alleine einen zu hohen Brennwert hätte und den Ofen überhitzen würde.
Bei der KNO wird jedoch beteuert, man sei dabei, die Kompostierungsanlage schrittweise verfahrenstechnisch aufzurüsten, um die Verrottung des Materials zu beschleunigen und so die Kapazität zu erhöhen. Bis nächsten Sommer könnte man der schon beim Bau der Anlage 1994 angestrebten Kapazität von 14.000 Tonnen nahekommen. Das, so heißt es bei der KNO, hätte man aber auch schon früher machen können. Seit mindestens zwei Jahren sei erkennbar, daß die in Bremen gesammelte Bio-Müllmenge die Leistungsfähigkeit der Kompostieranlage übersteige.
Nach der Zerschlagung und Privatisierung der Bremer Entsorgungsbetriebe (BEB) haben die Kompostierer nun aber echtes Interesse, den Bio-Müll wirklich verrotten zu lassen, anstatt das mühsam getrennte Material in die nicht ausgelastete MVA zu schmeißen. Denn die KNO muß für die Verbrennung des Bio-Mülls an die ebenfalls neue Schwesterfirma ANO, die die MVA betreibt, bezahlen. Bis zu 200 Mark kostet das pro Tonne. Zu kompostieren ist mit etwa 130 Mark billiger.
„Dieses Geld wollen wir natürlich lieber sparen“, sagt KNO-Sprecher Michael Drost. Zumal jenes Material, das aus dem Bio-Müll gewonnen wird, im Gegensatz zu Garten-Kompost praktisch nicht verkäuflich ist. Man müsse froh sein, sagt ein Experte, wenn Bauern nicht noch Geld verlangten, um den Dünger auf ihre Felder zu kippen.
Joachim Fahrun
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