: Malaysias Polizei geht gegen Demonstranten vor
■ Anhänger des verhafteten Ex-Vizepremiers fordern den Rücktritt des Ministerpräsidenten
Kuala Lumpur (AFP/taz) – Mit Tränengas und Wasserwerfern sind Sondereinheiten der malaysischen Polizei gestern gegen Anhänger des am Vorabend festgenommenen früheren Vizepremiers und Finanzministers Anwar Ibrahim vorgegangen. Etwa hundert Personen, darunter der Vorsitzende der muslimischen Parteijugend, wurden verhaftet. Bereits am Sonntag abend war die Polizei direkt nach der Verhaftung Anwars gewaltsam gegen Tausende Demonstranten vorgegangen, die sich vor dem Haus von Premierminister Mahathir Mohammad versammelt hatten.
Mahathir hatte seinen bisherigen Stellvertreter Anwar am 2. September unter dem Vorwurf sexuellen Fehlverhaltens und Betrugs aller Ämter enthoben. Darauf rief dieser in den vergangenen zwei Wochen unter Mißachtung der restriktiven Versammlungsgesetze mehrfach vor Zehntausenden von Anhängern zu politischen Reformen auf und forderte den Rücktritt des Ministerpräsidenten. Hintergrund des Konflikts sind Meinungsverschiedenheiten zwischen Mahathir und Anwar über die Bekämpfung der ernsten Finanz- und Wirtschaftskrise. Der seit 1981 autokratisch regierende 72jährige Mahathir ist seit Anwars Entlassung nicht mehr nur Premier und Innenminister, sondern auch Finanzminister.
Gestern versammelten sich etwa 1.500 Menschen vor dem Gerichtsgebäude in der Hauptstadt Kuala Lumpur, wo Anwar wegen angeblicher Gefährdung der öffentlichen Ordnung dem Haftrichter vorgeführt werden sollte. Die Demonstranten forderten in Sprechchören den Rücktritt Mahathirs. Mehrere tausend Anhänger Anwars wollten zum Sportstadion pilgern, wo die britische Königin Elizabeth II. zu den Abschlußfeiern der Commonwealth-Spiele erwartet wurde. 400 Sicherheitskräfte riegelten das Gelände ab. 50 Sicherheitskräfte seien mit Schlagstöcken auf Demonstranten losgegangen, berichteten Augenzeugen. Die Polizisten hätten auch Unbeteiligte verprügelt. Vor Anwars Wohnhaus demonstrierten gleichzeitig 5.000 Menschen. Polizeieinheiten fuhren dort auf vier Lastwagen vor, berichteten Augenzeugen. Nach einer kurzen Durchsuchung hätten sich den Ort jedoch wieder verlassen.
Die Behörden teilten gestern mit, daß die ursprünglich geplante gerichtliche Anhörung Anwars abgesagt worden sei und er im Rahmen der Sicherheitsgesetze festgehalten werde. Diese ermöglichen eine zeitlich unbefristete Inhaftierung ohne Prozeß. Anwar saß bereits in den 70er Jahren fast zwei Jahre in Haft. Gestern wurde ein enger Mitarbeiter Anwars wegen angeblichen Verstoßes gegen das Sicherheitsgesetz festgenommen. Inzwischen sitzen sechs Mitarbeiter Anwars in Haft. Seine Anwälte kritisieren, ihnen werde bisher der Einblick in die Akten verweigert.
Die BBC berichtete gestern, Malaysia behindere die Überspielung von Fernsehbildern von den Demonstrationen nach London. Wirtschaftsexperten warnten unterdessen, die Unruhen gefährdeten Mahathirs Versuch, das Land aus der Krise zu führen. Mehrere Büros sowie eine Bank blieben gestern geschlossen. Der malaysische Aktienindex fiel um knapp vier Prozent. han
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