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Vermutungen reichen für US-Angriff

■ „New York Times“: Für den Militärschlag gegen die angebliche Chemiefabrik im Sudan gab es keine schlüssigen Beweise. Eine UNO-Untersuchung wird weiter im Sicherheitsrat blockiert

New York (taz) – „Wann reagiert die UNO auf das Verlangen zahlreicher Mitgliedsstaaten nach Untersuchung der angeblichen Chemiewaffenfabrik im Sudan, die durch einen amerikanischen Militärschlag zerstört wurde?“ Fred Eckardt, Sprecher von UNO-Generalsekretär Kofi Annan, zuckte nur hilflos mit den Schultern, als ihm diese Frage am Montag, immerhin vier Wochen nach dem US- Angriff, gestellt wird. „Der Generalsekretär kann da gar nichts machen. Die Forderung nach Entsendung einer Untersuchungskommission richtete sich an den Sicherheitsrat und wird dort blockiert.“

Hauptblockierer sind weiterhin die USA. Aber auch die anderen vier ständigen Ratsmitglieder haben sich bislang nicht für die Entsendung einer Untersuchungskommission der UNO stark gemacht. Lediglich China forderte die Clinton-Administration Ende August auf, ihre nach eigener Darstellung „schlüssigen Beweise“ für die beiden Behauptungen vorzulegen, mit der der Militärschlag öffentlich begründet wurde: in der zerstörten sudanesischen Industrieanlage seien Substanzen für Chemiewaffen hergestellt worden und nicht nur harmlose pharmazeutische Produkte; und Ussama Bin Laden, laut Washington Drahtzieher der Attentate auf die beiden US-Botschaften in Kenia und Tansania, habe mit der Fabrik in Verbindung gestanden und bei der sudanesischen Regierung chemische Waffen für Angriffe auf US-Einrichtungen bestellt.

Unmittelbar nach dem US-Militärschlag gegen Sudan wurden bereits von verschiedenen Seiten erhebliche Zweifel an Washingtons Version laut. Jetzt hat die New York Times nachgewiesen, daß Washington die Weltöffentlichkeit von Anfang an belogen hat. Der US-Administration haben keine schlüssigen Beweise für ihre Behauptungen vorgelegen. „Die Entscheidung für den Militärschlag gegen Sudan wurde auf der Basis von Vermutungen getroffen“, titelt die NYT in ihrer Montagsausgabe.

Der Artikel fußt auf Interviews mit den sechs Mitgliedern der bislang hochgeheim gehaltenen „kleinen Gruppe“, in der die Militärschläge gegen Ziele im Sudan und Afghanistan vorbereitet wurden. Diese Gruppe wurde nach den Attentaten auf die beiden US-Botschaften von Präsident Clinton eingesetzt und tagte mehrfach in der abhörsicheren Kommandozentrale des Weißen Hauses. Unter anderem gehörten der Gruppe CIA-Direktor George Tenet, Clintons nationaler Sicherheitsberater Samuel Berger sowie der Chef des Streitkräftekommandos, General Hugh Shelton, an. Aus den Interviews wird deutlich, daß der Gruppe lediglich Hinweise und Indizien vorlagen sowie Berichte von Informanten, die inzwischen auch von Vertretern der Administration und des CIA als höchst fragwürdig eingestuft werden.

Aus diesem bruchstückhaften Material wurden dann „bestimmte Schlüsse gezogen“ und diese „zu einer Beweiskette verdichtet“, zitiert die NYT aus den Interviews mit Mitgliedern der „kleinen Gruppe“. Mehrere hochrangige Vertreter von CIA und State Department äußerten gegenüber der NYT, sie seien von den „Beweisen“ der eigenen Regierung „nicht überzeugt“. Der Militärschlag gegen Sudan sei damit „nicht zu rechtfertigen“. Andreas Zumach

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