: Journalisten als Hilfsmittel
■ Die Praxis der Ermittler, Telefondaten von Journalisten zu nutzen, wird das Bundesverfassungsgericht erneut beschäftigen. Das Magazin "Stern" droht mit einer Beschwerde
Berlin (taz) – Das Bundesverfassungsgericht wird sich wohl bald zum zweiten Mal mit der Ermittlungspraxis deutscher Ermittler beschäftigen müssen.
Seit geraumer Zeit harrt in Karlsruhe schon eine Beschwerde des Fernsehsenders ZDF. Beamte hatten sich 1995 bei der Suche nach dem abgetauchten Baulöwen Jürgen Schneider die Handy-Daten zweier ZDF-Mitarbeiter beschafft. Nun will das Hamburger Magazin Stern bis vor das Höchste Gericht gehen, um klären zu lassen, ob verfassungsgemäß ist, was die Fahnder des Bundeskriminalamtes (BKA) vor wenigen Monaten exerzierten.
Bei der Suche nach dem Ex- Terroristen Hans-Joachim Klein hatten die BKA-Beamten die Stern-Journalistin Edith Kohn als Bindeglied genutzt. Im Mai dieses Jahres ließen sich die Zielfahnder mit einem richterlichen Beschluß nach Paragraph 12 des Fernmeldeanlagengesetzes von der Deutschen Telekom die Verbindungsdaten Kohns geben.
Die Fahnder lagen goldrichtig. Denn mehrmals hatte Kohn mit dem in Frankreich abgetauchten Klein von ihrem privaten Hamburger Anschluß aus telefoniert. Zuletzt hatte sie ihn im März in Frankreich besucht, um für eine Stern-Geschichte zu recherchieren. Spätestens am 5. Juni wußten die Ermittler definitiv von Kleins Aufenthalt. In der Ermittlungsakte ist dessen telefonische Kontaktadresse in Frankreich vermerkt. Vor rund zwei Wochen nahmen französische Anti-Terror- Spezialisten, begleitet von BKA- Beamten, dann Klein in Frankreich fest. Das, obwohl sich der heute 50jährige, der 1975 als Mitglied der Gruppe „Carlos“ am Überfall auf die Wiener Opec- Konferenz teilgenommen und danach vom Terrorismus losgesagt hatte, sich in Deutschland stellen wollte. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft, die im Dezember 1997 von Kleins Anwalt kontaktiert worden war, wirft dem Aussteiger gemeinschaftlichen Mord in drei Fällen und Geiselnahme vor – auch wenn Klein beharrlich verneint, bei dem Überfall 1975 einen Menschen getötet zu haben.
Der Stern hält die Überwachung seiner Autorin Kohn, die mit Klein seit 1994 in Kontakt stand (siehe Interview unten) für einen „fragwürdigen Eingriff“ in das Redaktionsgeheimnis, in das geschützte Vertrauensverhältnis zwischen Journalist und Informant. Daß die bundesdeutschen Ermittler keinesfalls zimperlich sind, wenn es darum geht, sich der Journalisten zu bedienen, um bei ihrer Arbeit voranzukommen, zeigt auch das Beispiel der ZDF-Mitarbeiter. Deren Handy-Kontaktnummern hatten sie sich schlicht durch eine telefonische Anfrage bei „DeTeMobil“ besorgt. Die richterliche Genehmigung reichten sie später ein. Severin Weiland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen