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Gemischtes Eis on stage

■ Die Multikulti-Mädchenband Die Bösen Mädchen sang im Schöneberger Sozialpalast

„Ich bin 'ne deutsche Türkin, 'ne türkisch-deutsche Frau“, dröhnt es aus den Lautsprechern. Die Ränge im Sozialpalast sind voll besetzt. Die winzige Bühne im Innenhof macht den Wohnsilo an der Pallasstraße in Schöneberg zu einem Amphitheater, in dessen Logen über 2.000 Menschen wohnen. Aus der ganzen Welt. Deshalb spielen Die Bösen Mädchen gerade hier. Denn Multikulti ist nicht nur die Botschaft der jungen Band, sondern ihr Leben. Viele der 14 Mädchen zwischen 11 und 23 Jahren haben Eltern aus den unterschiedlichsten Kulturen.

Im Alter von sechs Jahren wollte eine von ihrer türkischen Mutter wissen: „Was bin ich eigentlich?“ Denn ihr Vater kommt aus Deutschland. „Kennst du Vanilleeis?“ hat die Mutter gefragt. „Und Schokoladeneis?“ Da hat die Tochter begriffen: „Ich bin gemischtes Eis!“ Heute ist Gabriele Gün Tank 23 Jahre alt, studiert in Istanbul Journalismus. „Da helfen keine Grenzen mehr, gemischtes Eis ist schon bestellt.“ Die Musik kommt vom Band, ihre Texte aus dem Bauch.

Die 14jährige Mendina aus Angola mit Zöpfen aus blondem Kunsthaar findet den Auftritt richtig witzig. Im Arm hält sie ihr dreijähriges Brüderchen. „Der ist aber schon hier geboren“, lacht sie und klatscht mit seinen Händen. Ein 15jähriger Kosovo-Albaner spielt mit seinem Kopfhörer Jo-Jo. Er hat ihn extra abgenommen und hört den Mädchen zu. „Die singen darüber, daß alle Menschen gleich sind“, meint er und stellt sich auf die Zehenspitzen.

Als vor Beginn des Konzerts der bündnisgrüne Direktkandidat Christian Ströbele mit seinem kleinen Solarauto eintraf, versuchten Dutzende kleiner Kinder, auf das Dach des plötzlich sehr zerbrechlich wirkenden Gefährts zu klettern. Nun sitzen sie in dem großen Klettergerüst und werfen die Broschüre der Bündnisgrünen in kleinen Schnipseln in den Wind.

Wahlkampf wolle er nicht machen, sagt Justus Blumenstein vom Projekt Volldemokratie. „Aber Politiker, die was für die Jugend tun, unterstützen wir. Egal aus welcher Fraktion.“

Nur der CDU im Kulturausschuß Charlottenburg gingen die Liedtexte bisher zu weit. „Sind eben Kiez-Kids“, meint Blumenstein und zuckt mit den Schultern. Er managt die Auftritte der Mädchen und trifft sich mit ihnen einmal pro Woche im Mädchen- und Frauenladen für interkulturelle Sozialarbeit in der Charlottenburger Christstraße 29a.

Nach dem Konzert zeigen die kleinsten der Zuschauer, was sie in Sachen Breakdance draufhaben. Bis ihnen die Bühne unter den Füßen, Händen und Köpfen wieder abgebaut wird. Andreas Leipelt

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