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: Doping, „frei erfunden“

■ Rainer Stephans „Lokalderby“ beschreibt die Lächerlichkeit der Münchner Kickeria

Texte über die schmutzigen Seiten des Sports sind normalerweise moralinsauer, bestenfalls sarkastisch oder vulgärmarxistisch. Das gilt, wie zuletzt die Tour de France gezeigt hat, vor allem, wenn es um Doping geht. Daß das Thema Drogen im Sport aber auch der Stoff sein kann für einen sehr komischen Krimi – das beweist jetzt Rainer Stephan.

Die Idee für „Lokalderby“ lieferte der Schlaganfall des Ex- Bayern-Spielers Dietmar Hamann in der Saison 96/97. Bei Stephan heißt der leidende Kicker Nini Hartmann, und der Schlaganfall ist nur die offizielle Version. Vielmehr erkrankt der Spieler kurz vor dem Derby gegen 1860 an einer noch unerforschten Hepatitisform, hervorgerufen durch ein Dopingmittel. Hier hat sich Stephan wohl inspirieren lassen von der rätselhaften Gelbsucht, die einige von Herbergers mutmaßlich verdrogten Helden nach dem Finale von Bern befiel.

Über Aufputschmittel im Fußball wird derzeit mal wieder etwas intensiver diskutiert, nachdem Zdenek Zeman, der Trainer des AS Roma, mit seinen Äußerungen über Doping im italienischen Fußball eine Ermittlungswelle gegen dortige Profikicker ausgelöst hat. Obwohl auch deutschen Fußballern nachgesagt wird, sie konsumierten leistungsfördernde Pharmamittel, betont der gelernte Jurist Stephan, daß der Dopingfall in „Lokalderby“ erfunden sei. „Der Fall Hamann bot sich halt an als Aufhänger für einen Krimi. Und ein Bayern-Roman lag sowieso in der Luft“, sagt er. Das Buch spiele „mit Mythen und Legenden“.

Eine seltsame Beziehung zwischen Roman und Realität gibt es aber allemal. „Lokalderby“ ist unter anderem ein Zitat von Tschik Cajkovski vorangestellt: „Ohne Fußball ich toter Mann.“ Kaum stand das Buch in den Läden, war der ehemalige Bayern-Trainer tatsächlich ein toter Mann.

Der Fiesling der Geschichte ist der Mannschaftsarzt des FC Bayern: Darius Schmitt-Zander, ein eitler Fatzke mit besten Kontakten zur Münchener Schickeria. Seine Gegenspielerin ist die Ärztin Lea Sattler. Der kommt Hartmanns Hepatitis recht, um ihre wissenschaftlichen Ambitionen zu beweisen, während der feine Herr Kollege alles daran setzt, den sich anbahnenden Dopingskandal im Ansatz zu ersticken. Ein serbischer Masseur und ein berühmter Bayern-Spieler müssen deshalb sterben. Bis kurz vor dem Showdown bleibt aber offen, wer mit dem lackaffigen Mediziner unter einer Decke steckt.

Die Lächerlichkeit der Münchener Fußballszene, ihre Seilschaften und Intrigenspielchen, hat Stephan gut eingefangen. Da gibt es den Manager Toni Törless, der sich gern in einen Blutrausch redet, oder den hinterfotzigen Löwen-Präsidenten Sepp Zahmhuber, der natürlich dazu beitragen will, daß die Dopingaffäre publik wird. Als Nebenschauplatz dient zum Beispiel des Münchener Prominentenlokal „Fliege“, in dem ein christlicher Talkmaster namens Käfer einer mutmaßlichen Minderjährigen zu Leibe rückt.

Leider hat Stephan nicht allzuviel Mühe in die Namen seines Personal investiert (ziemlich blöd: „Lollo Markus“). Und Lea, seine Heldin, ist eine sehr konstruierte Figur: eine dieser vielgerühmten klugen, starken Frauen, wie nur Männer sie sich ausdenken können. Dennoch ist „Lokalderby“ leichte, unterhaltsame Lektüre im besten Sinne. Der große deutschsprachige Fußballroman, der auf diesen Seiten zuweilen schon ersehnt oder gefordert wurde, ist es nicht geworden. Aber das war auch gar nicht Stephans Ziel. René Martens

Rainer Stephan: Lokalderby, Eichborn Verlag, Frankfurt/ Main 1998, 262 Seiten, 36 Mark