: Das Glück, ein Fellow zu sein
Die American Academy stellt ihre ersten Stipendiaten vor: Acht Wissenschaftler und Künstler, darunter der Schriftsteller Arthur Miller, beziehen die Villa mit Wannseeblick ■ Von Ralph Bollmann
Everette E. Dennis brachte die Sache gleich am Anfang auf den Punkt. „Es gibt nichts besseres auf der Welt, als Fellow zu sein“, sagte der eigens aus New York angereiste Präsident der American Academy. Seine Zuhörer brauchten sich nur umzuschauen, um das Bonmot bestätigt zu finden. Auf einer Anhöhe thronte das frisch renovierte einstige Recreation Center der US-Armee, und auf der anderen Seite des Gartens glitzerte der Wannsee im Licht der Septembersonne. Sogar die alten Eichen hatten ihre Blätter eigens aus diesem Anlaß mit ersten Rot- und Gelbtönen versehen, so daß sich die Gäste von der amerikanischen Ostküste sogleich im heimischen „Indian Summer“ wähnten.
Mit einer „Garden Party“ in solch stimmungsvollem Ambiente begrüßte die Academy am Samstag die ersten acht Glücklichen, jene Künstler und Wissenschaftler also, die sich im Wintersemester aller Annehmlichkeiten des Fellow- Daseins erfreuen können. Allen voran der 82jährige Schriftsteller Arthur Miller, über dessen Pläne für Berlin zunächst nur bekannt wurde, daß er in zehn Tagen wieder in die Staaten zurückfliegt. In dieser Zeit will er immerhin mit FU-Studenten ein Seminar über sein Stück „Hexenjagd“ halten und an der Akademie der Künste eine Retrospektive von Miller- Verfilmungen eröffnen.
Vor allem aber war die Aufnahme Arthur Millers in den Kreis der ersten Fellows ein vollauf gelungener PR-Schachzug. Zumindest den Titel seines Stücks „Tod eines Handlungsreisenden“ kennen auch Leute, die sich unter einem „Institute for Advanced Study“ rein gar nichts vorstellen können. Als der frisch eingeflogene Dramatiker den Garten der Akademie betrat, interessierte sich für die Grußworte der Politiker niemand mehr.
Die übrigen Stipendiaten, aus 120 Bewerbungen ausgewählt, bleiben zwar länger, doch auch sie können noch nicht alle mit einem konkreten Projekt aufwarten. Der Dichter C. K. Williams, der normalerweise acht Monate des Jahres in Paris und vier Monate als Dozent in Princeton verbringt, will die Berlin-Erlebnisse schlicht und einfach in seinen Gedichten verarbeiten – ob jetzt oder später, weiß er noch nicht so genau. Nicht anders der Schriftsteller Robert Kotlowitz, der sich wie Williams „nicht beschränkt“ darin sieht, wie er in Berlin seine Zeit verbringt.
Genauer als die Künstler nehmen es naturgemäß die Wissenschaftler. Der renommierte Historiker Gerald D. Feldman aus Berkeley, den Academy-Präsident Dennis bei der Vorstellung der Stipendiaten glatt vergaß, will in Berlin eine Geschichte der Allianz- Versicherung schreiben. Brian Ladd, der sich als „zweiter und letzter Historiker“ unter den Fellows vorstellte, plant eine Studie über den städtischen Raum, für die er sich vor allem in die „fremde Welt der DDR-Stadt Berlin“ versenken will. Die „zeitgenössische Berliner Architekturlandschaft“ hat es der Architekturkritikerin Diana Ketcham angetan.
Auf den Spuren eines verstorbenen Freundes möchte der Theaterwissenschaftler Gautam Dasgupta wandeln: Er arbeitet an einem Buch über Heiner Müller. Der Jurist Kendall Thomas schließlich interessiert sich für die Gleichstellungsgesetze auf beiden Seiten des Atlantik. Er will „Fragen stellen, die in Deutschland üblicherweise nicht gestellt werden“ – beispielsweise die, warum solche Gesetze hierzulande nur für Frauen, nicht aber für ethnische Minderheit gelten.
Daß der Dialog der Stipendiaten untereinander und mit Berliner Kollegen neue Fragen aufwirft, das erhofft sich ohne Zweifel der notorisch öffentlichkeitsscheue Gary Smith, der als Geschäftsführender Direktor das Alltagsprogramm der Academy verantwortet, wenn Präsident Dennis längst wieder im heimischen New York Sponsorengelder einsammelt.
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