piwik no script img

Kohl wirft als Parteichef das Handtuch

■ Die Funktionäre der Union zeigten sich enttäuscht vom klaren Ergebnis. Die CSU betont weiterhin Geschlossenheit mit der CDU

Erst um 19 Uhr war Helmut Kohl vor den Kameras präsent. Mit frenetischem Applaus wurde er im Bonner Adenauer Haus begrüßt. Dann war er ausgeblendet. Plötzlich war er wieder im Bild und dankte erst mal allen. Dann gestand er die Niederlage ein: Er steht als Parteichef der Union künftig nicht mehr zur Verfügung.

Vor ihm mußte Peter Hintze die ZDF-Prognose wohl verdauen – der CDU-Generalsekretär kam später als versprochen zur Wahlparty ins Bonner Adenauer-Haus. Nachdem er allen Wahlhelfern gedankt hatte, sprach er von einer „bitteren Niederlage“, die die Union zu verkraften habe. „Wir haben viermal gesiegt, wir waren viermal gute Gewinner. Wenn es jetzt mal nicht ein so gutes Ergebnis ist, werden wir das demokratisch respektieren“, sagte Hintze nach der ersten Hochrechnung. Weiter dankte er Helmut Kohl für alles, was er für Deutschland und Europa geleistet habe, und betonte, daß der Kanzler in die Geschichte eingehen werde.

Sein CSU-Kollege Bernd Protzner sagte nach der ersten Prognose: „Ich bin enttäuscht. Das ist eine bittere Niederlage.“ Den Grund lieferte er gleich mit: „Es sieht so aus, als ob die neuen Bundesländer die CDU ein Stück weit nach unten gezogen hätten. Die Stimmung war gegen uns, die Argumente waren für uns.“ Weiter betonte er, auch nach der Niederlage lege die CSU Wert auf Geschlossenheit mit der CDU.

Wenn es nach Erwin Teufel, dem Ministerpräsidenten Baden- Württembergs, ginge, wird es nach dieser Wahl keine große Koalition geben. Teufel sagte im ZDF, die Union werde eine neue Regierung und deren Fehler aus der Opposition bekämpfen und daraus neue Kraft schöpfen. Und zur möglichen Koalition der SPD mit den Grünen: „Wir werden ja sehen, was Rot-Grün anrichten wird.“

Bundesfamilienministerin Claudia Nolte bezeichnete in einer ersten Reaktion das Ergebnis für ihre Partei als enttäuschend. „Es ist weit von dem entfernt, was wir zum Wahlziel erklärt haben“, sagte sie gestern im thüringschen Suhl.

Auch der CDU-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, Landowsky, gestand die derbe Niederlage der Union ein. Daß es voraussichtlich auch für Rot-Grün nicht reichen werde, sei „ein Segen für die Republik“. Sollte die CDU, wie vorhergesagt, vor allem in den neuen Ländern Stimmen verloren haben, mache ihn das „sehr betroffen“, räumte Landowsky ein. Schließlich habe die Union „die Einheit gemacht“.

Der Bonner CSU-Landesgruppenchef Michael Glos nannte in der ARD als eine Ursache für die Niederlage der Union eine Wechselstimmung im Lande, die auch von Teilen der Medien massiv geschürt worden sei. „Auch haben 16 Jahre erfolgreicher Regierungsarbeit sicher Abnutzungserscheinungen hervorgerufen“, sagte Glos.

Bundesinnenminister Manfred Kanther gefiel sich in der Rolle des fairen Verlierers: „Wir haben uns angestrengt. Man muß mit der Niederlage leben können.“ dpa/taz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen