piwik no script img

Unter Japans Banken platzt die Eiterbeule

Mit 26 Milliarden Mark Schulden ist endlich eine japanische Bank in den Konkurs gegangen. Zwei Großbanken kündigen Fusion an und beginnen mit der Sanierung des Finanzsystems. Regierung einigt sich über Fonds  ■ Aus Tokio André Kunz

Japan steht eine neue Rekordpleite ins Haus. Die seit Jahren lädierte Immobilienkreditfirma Japan Leasing, eine Tochterfirma der angeschlagenen Long Term Credit Bank (LTCB), ist mit 2,18 Billionen Yen (26 Milliarden Mark) in Konkurs gegangen. „Eine Eiterbeule ist geplatzt, nun muß die Sanierung im Finanzsektor losgehen“, kommentierte ein japanischer Ökonom die größte Pleite nach dem 2. Weltkrieg. In den kommenden Tagen dürften noch zwei weitere Tochtergesellschaften der LTCB mit fast ebenso hohen Schulden ihre Akten im Tokioter Konkursamt hinterlegen. Bewegung ist in die japanische Finanzindustrie gekommen, nachdem die Politiker sich übers Wochenende grundsätzlich über die Sanierung des mit über 1 Billion Mark belasteten Finanzsystems geeinigt haben.

Der Untergang der Japan Leasing wurde auch von der Tokioter Börse relativ gelassen aufgenommen. Der Nikkei-Index legte gar noch ein wenig zu, obwohl hinter dem Anstieg auch Stützungskäufe der Regierung zur Vermeidung einer Panikreaktion vermutet werden. „An Pleitenmeldungen haben sich die Japaner bereits gewöhnt, und Konkurse im Finanzsystem werden nicht zu verhindern sein, falls es jemals gesunden soll“, sagte Iwao Nakatani, Ökonom an der renommierten Hitotsubashi-Universität von Tokio. Je schneller mit todkranken Finanzfirmen wie der Japan Leasing aufgeräumt wird, um so besser, fügte Nakatani hinzu.

Die Pleite wird als direkte Folge der Einigung zwischen der Regierungspartei und der Opposition über die künftige Gangart im Finanzsektor gewertet. Nachdem sich Premier Obuchi und seine regierenden Liberaldemokraten den Forderungen der Opposition gebeugt haben, ist klar, daß zu schwache Banken erst unter staatliche Kontrolle gestellt werden, bevor öffentliche Gelder für eine Restrukturierung der Geldinstitute fließen. Im Falle der LTCB springen nun zuerst die insolventen Tochterfirmen über die Klinge. Von denen existieren mehr als 40, die unter einem immensen Schuldenberg ächzen, der mittlerweile von unabhängigen Finanzexperten auf über 60 Milliarden Mark geschätzt wird.

„Dies dürfte das Signal zu einer neuen Pleite- und Fusionswelle im japanischen Finanzsektor sein“, sagt ein Finanzanalyst in Tokio. So haben die Tokai Bank und Asahi Bank ebenfalls gestern eine weitgehende Allianz angekündigt, die später in eine Fusion führen könne, aber nicht müsse, wie Asahi-Präsident Tatsuro Itoh ausführte. Die neue Bank wird damit Japans zweitgrößtes Geldinstitut hinter der Bank of Tokyo Mitsubishi. Bevor die Allianz vollzogen wird, wollen die beiden stabilen Banken mehr als 110 Filialen in Japan schließen und das Personal in Übersee halbieren. Eine Allianz mit einem zusätzlichen ausländischen Partner wird ebenfalls erwogen.

Keine Zweifel läßt die Regierung an der Tatsache, daß für die Sanierung eine ganze Menge öffentlicher Gelder notwendig sind. Gestern abend wurde bekannt, daß die Politiker über einen Hilfsfonds von 30 Billionen Yen (372 Milliarden Mark) für das angeschlagene Banksystem verhandeln. Das Geld soll der Rekapitaliserung von starken Instituten und der Sicherung von Einlagen der kleinen Sparer dienen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen