: Deichgraf regiert Potsdam
■ Mit der Wahl Matthias Platzecks wird SPD stärkste Fraktion im Stadtparlament
Berlin (AP/taz) – Potsdams neuer Oberbürgermeister Matthias Platzeck wird die brandenburgische Landeshauptstadt künftig mit der SPD als stärkster Fraktion im Stadtparlament regieren. Die Sozialdemokraten erreichten bei der Kommunalwahl 39,16 Prozent der Stimmen. Die PDS, die bislang die meisten Stadtverordneten stellte, kam auf 32,16 Prozent, die CDU auf 13 und Bündnis 90/Die Grünen auf 7 Prozent. Die übrigen Ergebnisse aus kreisfreien Städten und Landkreisen lagen wegen des komplizierten Stimmabgabeverfahrens bei Redaktionsschluß noch nicht vor.
Bei der Wahl des Stadtoberhaupts konnte Platzeck ein Traumergebnis erzielen: 63,5 Prozent der Potsdamer gaben dem 44jährigen SPD-Politiker ihre Stimme. Die Erfüllung seines politischen Traums kann der neue Posten allerdings kaum sein. Platzeck füllte sein bisheriges Amt als brandenburgischer Umweltminister mit Begeisterung aus – und wurde nach dem Oderhochwasser im vorigen Jahr über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Als „Deichgraf“ in Hemdsärmeln und Gummistiefeln hatte Platzeck während der Flutkatastrophe die Herzen der Brandenburger erobert. Sein Einsatz hatte ihm diverse Auszeichnungen vom Bundesverdienstkreuz bis zur „Goldenen Kamera für Glaubwürdigkeit im Deutschen Fernsehen“ eingebracht.
Als die Potsdamer ihren bisherigen Oberbürgermeister Horst Gramlich (SPD) im Mai wegen vermeintlicher Führungsschwäche und Erfolglosigkeit abwählten, war die SPD in der Misere: Ohne zugkräftigen Kandidaten hätte sie im Rathaus der Landeshauptstadt möglicherweise für einen PDS- Bürgermeister Platz machen müssen. Angeblich auf Bitten von Ministerpräsident Manfred Stolpe stieg Platzeck, Umfragen zufolge der beliebteste Politiker Brandenburgs, in den Ring. Als Grund nennt Platzeck die Liebe zu seiner Geburtsstadt.
In frühestens vier Wochen kann Platzeck die Geschäfte im Potsdamer Rathaus aufnehmen. So lange dauert die im Wahlgesetz vorgeschriebene Einspruchsfrist. Auf den neuen Oberbürgermeister warten schwierige Aufgaben: Er muß den Streit zwischen Lokalpolitikern, Einzelhändlern und Investoren beim Bau des Potsdam-Centers schlichten und die Bundesgartenschau 2001 organisieren. Platzeck will sich beim Neuanfang auf wechselnde Mehrheiten stützen.
In Potsdam hatte das neue Stadtoberhaupt seine politische Laufbahn begonnen. Im April 1988 war er Gründungsmitglied der von der SED argwöhnisch beäugten Bürgerinitiative Argus, ein Jahr später gründete er die Grüne Liga. Nach der ersten Landtagswahl im Herbst 1990 übernahm er als Parteiloser das Amt des Umweltministers im ersten brandenburgischen Kabinett. Erst 1995 trat er in die SPD ein, wo er als aussichtsreicher Nachfolger von Ministerpräsident Stolpe gilt. wil
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