: Nun muß Theo Waigel seinem Parteifeind Edmund Stoiber den CSU-Vorsitz überlassen
■ Theo Waigel, Bundesfinanzminister in Abwicklung, will nun auch kein CSU-Parteivorsitzender mehr sein und 2002 auch nicht wieder in den Bundestag. Statt dessen will er nun stärker privatisieren
München (taz) – Lust hatte er eigentlich schon lange nicht mehr: Schon im vorigen Sommer hatte der CSU-Parteivorsitzende und Bundesfinanzminister Theo Waigel in einem Interview mit dem Bayerischen Fernsehen Amtsmüdigkeit offen bekannt. Immer wieder ließ er bei anderen öffentlichen Gelegenheiten durchblicken, daß die Arbeit als Politiker ihn zwar erfülle, er sein Privatleben jedoch genauso schätze. Fern der Heimat in Bonn muß er sein Bayern wohl oft vermißt haben, den „festen Boden der Vertrautheit und Identität“, die „Menschen, die dieselbe Mundart sprechen und die gleichen Bräuche pflegen“.
Gestern nun hat er die Wahlniederlage der Union zum Anlaß genommen, seinen Rücktritt auch vom Posten des CSU-Vorsitzenden zu erklären. Darüber hinaus erklärte er, daß es im Bundestag definitiv seine letzten vier Jahre würden; zur Wahl des Jahres 2002 werde er nicht wieder kandidieren.
Ein Vierteljahrhundert war Theo Waigel Gesandter des bayerischen Ablegers der Union im Bundestag. 1972 wurde er das erstmals ins Parlament gewählt, zehn Jahre später übernahm er den Vorsitz der dortigen CSU-Landesgruppe. 1988 wurde er nach dem Tod von Franz Josef Strauß zum Vorsitzenden der Christlich-Sozialen Union gewählt, ein Jahr später wurde er Bundesfinanzminister – eine von Anfang an schwierige Doppelaufgabe, die ihm von den eigenen Parteifreunden oft genug noch erschwert wurde.
Sein parteiinterner Rivale Edmund Stoiber hatte es leicht, ihn über die Jahre – als es darum ging, die Alleinnachfolge des großen Franz Josef Strauß zu erobern – schleichend, aber sicher zu destabilisieren. Mußte Waigel das Scheitern seiner ersten Ehe eingestehen, konnte Stoiber, dem alles Private fremd zu sein scheint, sich den katholisch-konservativen Wählern Bayerns auf Plakaten als Familienmensch präsentieren. Mußte Waigel als Finanzminister einer Koalition unangenehme steuerpolitische Entscheidungen durchfechten, konnte sich derweil Stoiber in München als moderner und tüchtiger Landesvater feiern lassen.
Brachte Waigel gemeinsam mit Kanzler Helmut Kohl die europäische Währungsunion auf den Weg, durfte sich Stoiber, ledig aller bundespolitischen Verantwortung, als großer Mahner aus dem Süden profilieren. Derart gebeutelt, bereiteten Waigel Wahlkampfschaufensterreden augenscheinlich immer weniger Freude. Dem „Hüter der Stabilität des Euro“, wie er sich preisen ließ, wurde von der eigenen Partei kaum Dankbarkeit entgegengebracht.
„Wir haben eine Menge erreicht“, sagte Waigel mit Blick auf seine größte Aufgabe nicht ohne Stolz, „das schreibe ich auch mir auf die Fahnen.“ Aber es half nichts, daß er für stabile Konvergenzkriterien gestritten hat, für die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und nicht zuletzt den Namen „Euro“ statt „ECU“: „Ich habe nun wirklich neun Jahre alles getan, um eine stabile europäische Währung vorzubereiten. Sprach er seine diesbezüglichen Leistungen bei CSU-Parteitagen des vergangenen Wahlkampfjahres an, erntete er bei den Delegierten nur wenig Applaus; skeptisch runzelten viele die Stirn über einen, der sich wohl etwas zu lange und zu weit von der Heimat entfernt hatte.
Die kaum verhohlene Unlust am politischen Tagesgeschäft, die Waigel erst in der letzten Wahlkampfphase nach außen hin ablegen konnte, blieb nicht ohne Folgen. Allgemein wurde die Entlassung von Regierungssprecher Peter Hausmann, eines Waigel- Schützlings, als Ohrfeige des Kanzlers für seinen amtsmüden Minister gewertet, ein erstes Anzeichen für seinen Machtverlust, auf das er aus wahltaktischen Gründen nicht einmal reagieren konnte.
Das hervorragende Abschneiden der CSU bei der bayerischen Landtagswahl stärkte dagegen nur Edmund Stoiber. So war es nur eine Frage der Zeit, bis dieser, allen Dementis der letzten Wochen zum Trotz, sich um den Parteivorsitz bemühen würde. Folgerichtig brachte sich der auch bei sozialdemokratischen Stammwählern populäre Stoiber bei der gestrigen CSU-Präsidiumssitzung von Waigel ungefragt selbst als Nachfolger ins Spiel – aber so sind die Spielregeln in Parteien, die Wahlen verloren haben: Auf persönliche Empfindlichkeiten kann keine Rücksicht genommen werden.
Mit Waigel kündigte auch der bisherige CSU-Generalsekretär Bernd Protzner seine Demission zum Beginn kommenden Jahres an. Waigel ließ Edmund Stoibers Bereitschaft, „die Verantwortung für die Partei zu übernehmen“, unkommentiert. Was die beiden von einander halten, ist allgemein bekannt. Stefan Kuzmany
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