Die SPD hat freie Hand für alles

Die Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern verhandeln nach ihrem Sieg bei der Landtagswahl sowohl mit den Verlierern von der CDU als auch mit der PDS. „Sacharbeit“ soll ausschlaggebend sein  ■ Aus Schwerin Heike Haarhoff

Harald Ringstorff hatte die Absolution der Bonner Genossen im Gepäck. „Ja“, sagte der designierte sozialdemokratische Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern am Montag abend nach seiner Rückkehr aus der Parteizentrale der Bundes-SPD, „der Parteivorstand hat deutliche Worte gesprochen: Wie die Regierung gebildet wird, wird in Mecklenburg- Vorpommern entschieden.“ Damit hat der 59jährige, der den ersten SPD-Regierungschef seit der Wende im nordöstlichsten Bundesland Deutschlands stellen wird, freie Hand bei der Regierungsbildung.

Umgehend tagte am Montag abend der SPD-Parteivorstand. Ergebnis: Trotz der leidigen Erfahrung mit der Großen Koalition während der vergangenen vier Jahre will die SPD Sondierungsgespräche mit der Wahlverliererin CDU führen, und zwar am Donnerstag. „Man kann die Gespräche nicht mit Dingen aus der Vergangenheit belasten“, zeigte sich Ringstorff großmütig. „Sacharbeit“ müsse jetzt an erster Stelle stehen.

Eine sechsköpfige Delegation, darunter der bisherige Justizminister Rolf Eggert, Sozialminister Hinrich Kuessner und der parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Volker Schlotmann, wird unter Vorsitz von Ringstorff die Verhandlungen führen. Erst am Freitag dann will Ringstorff mit der PDS reden, und das, obwohl in Mecklenburg-Vorpommern alles auf ein rot-rotes Bündnis – entweder Tolerierung oder Koalition – hindeutet. Entsprechend verschnupft reagierte die PDS. „Die SPD hat uns bisher noch nicht mal eingeladen“, beschwerte sich Landeschef Helmut Holter. Doch die Liste der „Maßstäbe für eine neue Politik für Mecklenburg-Vorpommern“, die der PDS-Parteivorstand anschließend als Vorlage für die Sondierungsgespräche beschloß, ist ausgesprochen zahm formuliert und in fast jedem Punkt SPD-kompatibel.

Die Forderungen, von denen „wir möglichst viele durchsetzen wollen, wobei es keine unverzichtbaren Forderungen gibt“, wie sich Holter zu versichern beeilte, entsprechen dem Sechs-Punkte-Programm der PDS vom August: Von Rechtsanspruch auf Erstausbildung mit anschließender einjähriger Beschäftigungsgarantie ist da die Rede. Ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor soll her, ebenso der Rechtsanspruch auf Kindesbetreuung bis zum zehnten Lebensjahr, die Stärkung der Finanzkraft der Kommunen sowie die Änderung des umstrittenen Schulgesetzes.

Radikalforderungen nach Abschaffung des Verfassungsschutzes oder des Stasi-Landesbeauftragten, wie sie Teile der PDS in internen Papieren im Sommer formuliert hatten, „werden als Orientierungshilfe zur Kenntnis genommen“, watschte der regierungswütige Parteichef Holter seine andersdenkenden Genossen ab. Und der parlamentarische PDS-Fraktionsgeschäftsführer Arnold Schoenenburg ging in seiner Lust aufs Regieren gar so weit, bereits die Ministerien für Inneres, Wirtschaft und Soziales für seine Partei zu beanspruchen. Am 10. Oktober soll der PDS-Parteitag in Sternberg die Forderungen der Partei absegnen.

Unterdessen bezeichnete die CDU ihre „Kompromißfähigkeit“ bei den Verhandlungen mit der SPD als „begrenzt“. CDU-Landeschefin Angela Merkel und Fraktionschef Eckhardt Rehberg, die die Gespräche führen werden, bestehen auf der Durchsetzung mehrerer Punkte. Dazu gehören vor allem: eine „leistungsorientierten Schule“, der ehrenamtliche Polizeidienst, regelmäßige Drogenkontrollen an allen Schulen, die Stärkung des ersten Arbeitsmarktes sowie große Infrastrukturmaßnahmen wie der Transrapid und die Ostseeautobahn.

Letztere will auch die SPD. Zunächst aber, so Ringstorff gestern, sollten alle „Lobbyarbeit“ leisten, damit Rostock den Zuschlag für den Bau des Super-Airbus A3XX bekomme. Und: Bis zur „Wahl eines neuen Regierungschefs“, so Ringstorff über Ringstorff, solle das Kabinett fleißig weiterarbeiten.