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Er nicht (W)als er

Jossi Wieler bringt Elfriede Jelineks Annäherung an Robert Walser Er nicht als er (zu, mit Robert Walser) zur Aufführung  ■ Von Matthias von Hartz

Elfriede Jelineks neues Werk zu, mit Robert Walser ist ein Versteckspiel. Das fängt mit dem Titel an und geht im Text nicht viel besser weiter. Ein Prosatext ist es wohl eher, und doch sind ein Theaterstück und sogar Dialoge drin versteckt. Figuren hat er keine, doch mindestens zwei. Keine davon ist Jelinek, aber eine eben doch, sie. Und wo ist Robert Walser? Ist da, aber eben er nicht (W)als er.

Das klingt kompliziert, ist aber sehr schön zu lesen und wird noch besser zu sehen und hören sein. Elfriede Jelinek hat sich Jossi Wieler als Regisseur für das Projekt gewünscht, das im August bei den Salzburger Festspielen Premiere hatte. Die Koproduktion mit dem Schauspielhaus ist als Teil des dortigen Programms „Dichterin zu Gast“ entstanden. Für diese ganztägige „Reise durch Jelineks Kopf“ durfte sie viele Horror-Filme, Lesungen von Trakl bis Plath, und eine Modenschau ihrer Lieblingsdesignerin auswählen und eben jenen Robert-Walser-Text schreiben. Jelineks Lieblinge also – Repräsentation des Subjekts durch Objekte seines Interesses. Und das ist auch das Prinzip des Abends. Die Schriftstellerin nähert sich Walser durch sich selbst an und sich selbst durch Walser.

Von Robert Walser kennt man vor allem das Scharzweiß-Foto seines einsamen Todes 1956: Ein Körper liegt im Schnee, dazu Fußstapfen und etwas entfernt ein Hut. Die letzten 23 Jahre seines Lebens hat der Schweizer Schriftsteller in einer Anstalt in Appenzell verbracht und nichts mehr geschrieben. Dieses lange Schweigen ist fast eine tragische konsequente Fortsetzung seines Dichterlebens in Distanz. So humorvoll und sogar zugänglich einige seiner Texte auch sein mögen, so schwer bleibt Walser selbst letztlich zu fassen. Elfriede Jelinek versucht eine Annäherung – nicht nur an den Schweizer.

Jossi Wieler beschreibt den Abend deshalb als „Besuch, als viele Besuche“. Er hat den Text auf einen Mann und drei Frauen aufgeteilt, und so besuchen elegante Damen einen Künstler, Jelinek Walser und Frauen Männer. Die Annäherung an Künstler und Werk ist schwierig und gebietet Ehrfurcht. Doch das von Bühnenbildnerin Anna Viebrock entworfene Männerreich, verstört eher in seiner konkreten Unappetitlichkeit. Wenn Männer schweigen, werden herumliegende Unterhosen die ersten Identitätsbausteine. Demut und Anmaßung wechseln sich ab in diesem Prozeß: Reden, um sich seiner selbst zu versichern oder schweigen, um sich selber besser suchen zu können? Eigentlich möchte hier keiner gefunden werden, aber doch die eigene Identität erkennen. Das ist ein mühsamer Vorgang, doch wer die liebevolle und präzise Schauspielerarbeit kennt, mit der Jossi Wieler schon Jelineks Wolken.Heim auf die Bühne gebracht hat, weiß, daß er schmunzelnde Einsichten erwarten darf. Dennoch droht das Scheitern. „Ein Scheitern an der Unmöglichkeit des Vorhabens“ sagt Jossi Wieler lächelnd.

Premiere: Do, 1. Oktober, 20 Uhr, Malersaal

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