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■ Gerhard Schröder besucht demonstrativ zuerst FrankreichWichtiges Symbol, gute Aussichten

Wenn beiderseits des Rheins PolitikerInnen fast jedweder Couleur unablässig wiederholen, daß zwischen Paris und Bonn alles in Ordnung sei, macht das hellhörig. Wenn hinzu kommt, daß im deutschen Wahlkampf nur der unterlegene Kandidat von seinen zurückliegenden internationalen Erfolgen sprach, der erfolgreiche Herausforderer aber nicht einmal ein außenpolitisches Programm vorlegte, dann ist klar, daß es Dringlichkeiten gibt.

Gerhard Schröders Reise nach Paris war nötig. Vor allem als Symbol. Schröder, dessen Kandidatur in Paris von rechts und links argwöhnisch beäugt worden war, signalisierte, daß er an den Ritualen, darunter auch dem prompten Antrittsbesuch in Paris, festhält, daß er die deutsch-französische Achse trotz seiner bekannten angelsächsischen Sympathien an die oberste Stelle der außenpolitischen Präferenzen in Bonn setzt. Jetzt kann sogar wieder Bewegung in die bilateralen Beziehungen kommen.

Seit dem Mauerfall ist ein Neuanfang über den Rhein vonnöten. Wer erinnert sich nicht an Mitterrand, der darauf bestand, noch einen Staatsbesuch in der DDR zu machen, als dort schon der Ruf „Wir sind ein Volk“ ertönte? Und wer hätte Helmut Kohl vergessen, der gegen den erklärten Wunsch seines „ami Jacques“ partout den Niederländer Duisenberg als ersten Zentralbankpräsidenten durchpauken mußte? Von den kleineren Problemen – darunter die Absprache der Frankfurter und der Londonder Börse unter Ausschluß von Paris – ganz zu schweigen.

Persönliche Inkompatibilitäten mögen eine Rolle gespielt haben. Aber die gloriosen Zeiten, da Kohl und Mitterrand händehaltend über den Gräbern von Verdun posierten, waren eben schon lange vor Chiracs Machtantritt im Mai 1995 vorbei. Auch die Ankunft einer rot-rosa-grünen Equipe im Juni 1997 änderte nichts Wesentliches daran, daß sich in Paris und Bonn das Gefühl verbreitete, die jeweils andere Seite verfolge Interessen und geopolitische Orientierungen, die den eigenen zuwiderliefen.

Mit Chirac, der den Kampf gegen die soziale Ausgrenzung versprach, und dem Sozialisten Lionel Jospin in Paris und mit dem SPDler Schröder in Bonn, der eine europäische Sozialpolitik vorschlägt, ist nun erstmals auf beiden Seiten des Rheins eine Nachkriegsgeneration an der Macht, die ihre Spitzenfunktionen erst nach dem Ende des Kalten Krieg erklommen hat und außerdem noch gemeinsame Absichten zeigt. Das sind – generationell und politisch – günstige Voraussetzungen, um Probleme anzugehen: von der Massenarbeitslosigkeit über die Atomstaaterei bis zum Demokratiemangel der EU. Dorothea Hahn

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