piwik no script img

Gegen Gewalt hinter Gittern

Justizsenatorin will weibliche Häftlinge vor sexuellem Mißbrauch durch das Personal schützen. Auch „Kameraderie“ wird untersucht  ■ Von Elke Spanner

Hamburgs Justizsenatorin „will es jetzt wissen“. Energisch schüttelt Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) den Kopf. „Womöglich denken viele Gefangene, ihnen glaube ohnehin niemand“, fürchtet sie, und daß deshalb viele Mißbrauchsfälle hinter Gittern unbekannt geblieben sein könnten. Alle weiblichen Insassen, die in den vergangenen zwei Jahren als PatientInnen im Zentralen Krankenhaus der Hamburger Gefängnisse (ZKH) behandelt wurden, sollen deshalb nach sexuellen Übergriffen durch das Krankenhauspersonal befragt werden.

Zudem, so kündigte die Senatorin gestern an, werden neue Stellen für vier Krankenschwestern im ZKH eingerichtet. Es sei „nicht länger hinzunehmen, daß Frauen ausschließlich von Männern gepflegt werden“. Bisher war das im ZKH die Regel, und so konnten auch die beiden Mißbrauchsfälle passieren, die den Anlaß für Peschel-Gutzeits Maßnahmenkatalog bilden.

Im Februar hatte eine Gefangene einen Krankenpfleger angezeigt, weil der sie sexuell genötigt hatte. Der beschuldigte Familienvater hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe Selbstmord begangen. Gegen zwei Kollegen, die ihn zu decken versucht hatten, wird noch ermittelt. Vorige Woche war ein zweiter Mißbrauchsfall bekannt geworden. Eine Gefangene hatte dem Anstaltspsychologen anvertraut, wiederholt von einem Vollzugsbeamten sexuell bedrängt worden zu sein. Der ist seither vom Dienst suspendiert.

Vor allem wegen des Versuchs von zwei Kollegen, den Täter im ersten Mißbrauchsfall zu decken, befürchtete Peschel-Gutzeit eine „Mauer des Schweigens“ der Bediensteten. Deshalb hatte sie im Februar Generalstaatsanwalt Arno Weinert „als ausgewiesenen Kenner des Strafvollzuges“ mit einer Studie über die „Kameraderie“ beauftragt. Die soll zwar erst in den kommenden Wochen vorgelegt werden. Ihre Befürchtungen hätten sich aber wohl nicht bestätigt, so Peschel-Gutzeit gestern erleichtert.

Bisher sind von den 46 KrankenpflegerInnen im ZKH nur sieben Frauen. Das Personal wurde nicht aus externen Fachkräften zusammengestellt; auf einer hauseigenen Krankenpflegeschule konnten sich VollzugsbeamtInnen weiterbilden. Nun sollen umgekehrt extern examinierte Krankenschwestern eine Weiterbildung im Sicherheitsdienst absolvieren.

Zudem werden die Patientinnen im ZKH ab sofort besonders von PsychologInnen, SozialpädagogInnen und SeelsorgerInnen betreut. An diese, so der Leiter der Untersuchungshaftanstalt, Robert Mündelein, können sich auch die Bediensteten der Gefängnisse wenden, sollten sie über einen Mißbrauchsfall zu berichten haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen