: Anklage gegen untätige Flüchtlingsbetreuerin
■ Der Vormund eines kurdischen Jungen soll seine Fürsorgepflicht eklatant verletzt haben. Dessen Asylantrag wurde deshalb abgelehnt
Erstmals hat die Staatsanwaltschaft einen Vormund im Treptower Jugendamt wegen des Verdachtes einer Verletzung der Fürsorgepflicht angeklagt. Die Betreuerin soll einen nach Berlin geflüchteten kurdischen Jungen im Asylverfahren nicht unterstützt haben. Treptows Bürgermeister Siegfried Stock (SPD) bestätigte gestern die Anklageerhebung. Justizpressesprecher Matthias Rebentisch erklärte, daß zwei weitere Ermittlungsverfahren gegen einen anderen Treptower Amtsvormund anhängig seien. Stock, der im Bezirksamt auch für Personalfragen zuständig ist, wurde von seinem CDU-Jugendstadtrat erst am Mittwoch von der Anklage unterrichtet, die schon im Mai erhoben wurde. Die Angeklagte sei im Jugendamt weiter mit der Personenfürsorge für ausländische Kinder und Jugendliche betraut, weil „die zuständige Fachabteilung die Anklage als haltlos ansieht“, so Stock.
Das sieht Regina Götz, die Anwältin des betroffenen Kurden, anders. Der damals 15jährige Junge sei nach Deutschland geflohen, nachdem seine Eltern als PKK- Sympathisanten festgenommen und gefoltert worden seien. Soldaten hätten ihn verprügelt und bedroht. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, führt Götz aus. Das sei auch darauf zurückzuführen, daß sein Vormund ihn auf die Anhörung kaum vorbereitet hätte. Der Junge hatte gegen den Asylbescheid klagen wollen, doch die Vormundsperson hätte ihm gesagt, „es passiert nichts Schlimmes, wenn man nicht klagt“. Eine von dem Jungen selbst eingebrachte Klage habe sie zurückgezogen, führt Götz aus. Der Junge wurde noch nicht in die Türkei abgeschoben, weil er als Zeuge im Strafverfahren gegen seinen Vormund aussagen soll.
Das Treptower Jugendamt nimmt seit 1995 für alle minderjährigen Flüchtlinge, die ohne Angehörige nach Berlin einreisen, die Vormundschaft wahr. Davon versprach sich der Senat kürzere Aufenthaltszeiten für die Flüchtlingskinder. Seitdem hören Flüchtlingsrat und AnwältInnen immer wieder von ähnlichen Fällen: Die Vormünder betreuen die Mündel unzureichend im Asylverfahren, sie verschicken Asylbescheide viel zu spät, so daß längst die Klagefristen abgelaufen sind. Sie weigern sich außerdem, den Aufenthalt der Kinder und Jugendlichen zu legalisieren, oder verschlafen die ihnen vom Gericht gesetzten Fristen.
Inzwischen regt sich in anderen Jugendämtern Kritik. Treptow betreibt in den meisten Fällen lediglich die Asylverfahren, während SozialarbeiterInnen aus allen Jugendämtern für die Unterbringung der Jugendlichen zuständig sind. „Fragen LehrerInnen oder Polizisten einen jungen Flüchtling nach seinem Vormund, so nennen die Flüchtlingskinder mich, weil sie mich im Unterschied zu ihrem Vormund in Treptow kennen“, erklärt eine bezirkliche Sozialarbeiterin. Die Frau hat keinerlei Verständnis, daß Treptow von allen Berliner Bezirken Geld bekommt „für Arbeit, die dort nicht oder schlecht gemacht wird“.
Schönebergs bündnisgrüne Jugendstadträtin Ulrike Herpich- Behrens befürwortet deshalb, neu über die Zentralisierung der Vormundschaften in Treptow nachzudenken. Marina Mai
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