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Vereinte Bachmuscheln gegen Transrapid

Wie sich die SPD aus der Magnetbahnschleife windet, ist noch unklar. Doch an den Transrapid glauben selbst Mitarbeiter der Planungsgesellschaft kaum noch. Hilfreich ist der BUND: Transrapid verletzt Artenschutzrecht  ■ Von Ulrike Fokken

Berlin (taz) – Persönlich erleichtert, aber beruflich verunsichert: So froh auch einige Mitarbeiter der Magnetschnellbahn-Planungsgesellschaft in Berlin über den Ausgang der Bundestagswahl sind, so unangenehm könnten doch die Folgen für ihre Arbeitsplätze sein. Kippt die rot-grüne Bundesregierung den Transrapid, fallen die Jobs weg. Damit haben sich die Wegbereiter des Transrapid schon vor der Wahl auseinandergesetzt. Etliche rechnen nicht mehr damit, daß sie länger als die nächsten zwei Jahre für die Magnetschwebebahn zwischen Hamburg und Berlin arbeiten.

Die Befürchtungen der Planungsgesellschaft, die unter anderem die Grundstücke entlang der geplanten Strecke aufkauft, sind real. Bündnis 90/ Die Grünen sind geschlossen gegen den Transrapid. Die SPD ist uneins, hatte jedoch in der Opposition gegen das „Milliardengrab auf Stelzen“ gewettert. Und die Feststellung von Gerhard Schröder, der Transrapid komme, wenn die Finanzierung mit privatem Kapital gesichert sei, signalisiert bereits den Einstieg in den Ausstieg. Denn seit sich alle am Transrapid interessierten Privatunternehmen als Kapitalgeber zurückgezogen haben, liegt das finanzielle Risiko bei der Deutschen Bahn AG – mithin beim Bund und öffentlichen Kassen. Der Bundesrechnungshof befürchtete im vergangenen Jahr, daß die Kosten „einseitig und ungerechtfertigt zu Lasten des Bundes gehen“. Damals gingen die Rechner jedoch nur von 6,1 Milliarden Mark für den Bau der Transrapidstrecke aus. Für das Betriebssystem veranschlagten sie 3,7 Milliarden Mark aus öffentlichen Kassen. Der Bundesrechnungshof hatte zwar schon 1997 „Anhaltspunkte dafür, daß die Betriebskosten erheblich höher als bisher veranschlagt“ sind. Doch eine Ahnung über die Höhe der zusätzlichen Kosten sickerte erst vor zwei Wochen durch. Der Fahrweg wird nach unwidersprochenen Gerüchten 1,4 Milliarden, das Betriebssystem 700 Millionen Mark mehr kosten. Woher die kommen sollen, ist unklar. Klar war bisher nur, daß die Bahn AG der einzige Schuldner der falsch kalkulierten 6,1 Milliarden Mark war.

Beobachter gehen daher davon aus, daß die SPD sich in den Koalitionsverhandlungen aus der Magnetbahnschleife winden wird. Damit die verbleibenden Industrieunternehmen (Siemens, Thyssen, Adtranz) ruhiggestellt werden, könnte die neue Bundesregierung ihnen eine andere Strecke anbieten. Im Gespräch ist eine Verbindung zwischen dem Frankfurter Flughafen und dem Flughafen Hahn im Hunsrück. Dieser ehemalige Militärflughafen entlastet bereits den Frankfurter Flughafen. Da eine weitere Startbahn für Frankfurt politisch nicht durchzusetzen ist, könnte Hahn Passagiere und Fracht übernehmen. Der Transrapid würde auf der 100 Kilometer langen Strecke einen Shuttlebus ersetzen.

Den um die Koalition ringenden Sozialdemokraten könnte auch die aktuelle Beschwerde des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) bei der Europäischen Kommission zu Hilfe kommen. Der BUND hat festgestellt, daß die 292 Kilometer lange Trasse die Lebensräume seltener Tier- und Pflanzenarten durchschneidet, die unter die europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie fallen. Die Transrapid Gesellschaft habe versäumt, aus Brüssel eine Stellungnahme einzuholen, sagt Peter Westenberger, Verkehrsexperte des BUND. Da zwischen 30 und 50 Schutzräume von seltenen Tieren wie Bachmuschel oder Fledermaus zerstört werden, muß die EU- Kommission nach der Beschwerde ein Verfahren einleiten.

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