Analyse
: Papier mit Folgen

■ China unterzeichnet den UN-Pakt über bürgerliche und politische Rechte

Die Regierung der Volksrepublik China hat am Montag in New York den UN-Pakt über bürgerliche und politische Rechte unterzeichnet. Das ist gut so. Denn der Pakt verspricht den Bürgern Meinungs-, Religions-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Die sind in China bekanntlich stark eingeschränkt. Als hätte dies noch eines Beweises bedurft, verhafteten Chinas Behörden nur wenige Stunden vor der Unterzeichnung in der zentralchinesischen Stadt Wuhan einen Bürgerrechtler. Er hatte zum zweiten Mal vergeblich versucht, eine Menschenrechtsorganisation zu gründen.

Ist Pekings Unterschrift also nur ein Propagandatrick? Zunächst ist sie nur eine unverbindliche Absichtserklärung. Gültigkeit für China bekommt der Pakt erst dann, wenn er auch ratifiziert wird. Bereits vor einem Jahr hat Peking den UN-Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte unterschrieben. Ratifiziert wurde er bis heute nicht, und es ist völlig offen, wann dies erfolgt. Washington zum Beispiel benötigte 13 Jahre zu seiner Ratifizierung. Für Chinas Regierung hat sich die gestrige Unterschrift schon nach ihrer bloßen Ankündigung im Frühjahr propagandistisch ausgezahlt. Denn diese trug maßgeblich mit dazu bei, daß die USA und andere westliche Staaten auf eine chinakritische Resolution vor der UN-Menschenrechtskommission verzichteten.

Doch trotzdem ist die Absichtserklärung auch ernst zu nehmen. In der Volksrepublik gehen heute viele KP-Führer davon aus, daß das Regime um eine Demokratisierung nicht herumkommt. Dabei wird allerdings stets die Langfristigkeit dieser Entwicklung betont, wobei Zeiträume von 50 Jahren genannt werden. In diesem Sinne ist auch zunächst die Unterzeichnung der Menschenrechtspakte zu verstehen. Sie sind in ihrer Umsetzung potentiell unverbindlich genug, um positive Absichten erkennen zu lassen, ohne die Macht der herrschenden Kreise in Frage zu stellen.

Doch das unterschriebene Papier ist nicht nur geduldig, es läßt sich auch mit ihm arbeiten und Druck machen. Pekings Unterschrift stärkt die bisherige Argumentation der Dissidenten und schwächt die der Regierung. So wird mit der Unterschrift zum Beispiel die Universalität der Menschenrechte anerkannt und auch ein Mitspracherecht des Auslands in dieser Frage. Denn die Regierung verpflichtet sich, regelmäßig einen Bericht zu veröffentlichen, der von anderen UN-Staaten diskutiert werden kann.

Chinas Regierung ist offenbar der Meinung, diese Argumente in Zukunft ignorieren zu können. Dies könnte sich allerdings als Fehleinschätzung erweisen, vergleichbar mit derjenigen der früheren Ostblockregime, die bei der KSZE- Konferenz in Helsinki 1975 ähnliche Menschenrechtsprinzipien unterzeichneten. Sven Hansen