piwik no script img

Makeln per Auftragsmord

■ Mieterin mußte sterben, weil sie nicht aus ihrer Wohnung ausziehen wollte. Nach fünf Jahren kann die Kripo einen Immobilienmakler als Auftraggeber des Mordes zur Verantwortung ziehen

Buchhalterin Doris Kirche war eine hochgeschätzte Angestellte. Deshalb wurde sie auch von ihrem Arbeitgeber, einer Autofirma, zum langjährigen Geschäftsbestehen mit einer Reise auf die Galapagosinseln beschenkt. Es sollte ihr letzter Urlaub sein. An ihrem ersten Arbeitstag, am 22. Februar 1993, wurde die 54jährige Angestellte in der Firma mit einer Schrotflinte erschossen. Die Täter entkamen unerkannt.

Nach über fünf Jahren Ermittlungen verkündeten Kripo und Staatsanwaltschaft gestern, der Mord sei aufgeklärt: Doris Kirche sei von Auftragskillern umgebracht worden – weil sie aus ihrer Wilmersdorfer Wohnung nicht ausziehen wollte.

Die entscheidenden Hinweise aus der Bevölkerung waren erst im Laufe des vergangenen Jahres eingegangen. Obwohl von Anfang an eine ungewöhnlich hohe Belohung von 100.000 Mark durch die Autofirma ausgesetzt worden war.

Als Auftraggeber gilt der in Untersuchungshaft sitzende 54jährige Immobilienmakler Eberhard H. aus Wilmersdorf. Laut Kripo hat der Mann zwei griechische Staatsbürger für die Tat gedungen. Einer der beiden sitzt ebenfalls in Haft. Nach seinem Komplizen wird international gefahndet. Offen blieb gestern, was für eine Rolle der Wohnungsinhaber, ein Zahnarzt, bei der Tat spielte. Gegen den Mann wird zwar auch wegen des Verdachts auf Anstiftung zum Mord ermittelt, der Haftbefehl wurde indes aufgehoben.

Daß Hausbesitzer Mieter rabiat vor die Tür setzen, kommt vor. Auch daß Gebäude in Form eines „warmen Abrisses“ mutwillig zerstört werden. Nie zuvor ist laut Staatsanwaltschaft aber eine Wohnung durch einen Auftragsmord freigemacht worden.

5 Zimmer auf 180 Quadratmetern in der Nassauischen Straße – die alleinstehende Doris Kirche lebte seit 1978 in angenehmer Citylage. Mit 800 Mark kalt „war der Mietpreis außerordentlich günstig“, sagte Kriminalhauptkommissar Klaus Ruckschnat. Der Wohnungseigentümer, „ein Herr, der gern in verschiedenen Bereiche investiere“, sei von Makler H. angesprochen worden, ob er Interesse an Immobilien habe. Denn nach der Wende, so Ruckschnat, „schossen die Preise auf dem Wohnungsmarkt hoch“. Der Zahnarzt stimmte zu. Als sich die Finanzierung der Objekte als schwierig erwies, habe H. vorgeschlagen, die von Doris Kirche bewohnte Wohnung zu verkaufen. Die Frau habe sich aber nicht durch ein Angebot von 50.000 Mark zum Auszug bewegen lassen. Nun habe sich H., „der seine Felle davonschwimmen sah“, entschlossen, die Sache „auf seine Art“ zu regeln. „Ohne daß es der Eigentümer wußte“, so Ruckschnat, habe H. zwei Griechen gedungen. Die Höhe der Summe für den Mord nannte die Kripo nicht.

Nach dem Tod der Frau wurde die Wohnung nicht verkauft – das Geld zur Renovierung fehlte. Dafür zog ein Bordell ein, welches für die Räume mehrere tausend Mark monatlich bezahlte. So schrumpften die großangelegten Immobiliengeschäfte laut Kripo schließlich zusammen. Plutonia Plarre

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen