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Der Türkei eine Perspektive zeigen

■ Der Bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir über den Fall der Verlegerin Zarakolu und zukünftige rot-grüne Politik gegenüber der Türkei

taz: Zuerst hieß es, Ayșe Zarakolu darf nicht ausreisen. Nun ist alles ein Mißverständnis.

Cem Özdemir: Es ist erfreulich, wenn solche Mißverständnisse gelöst werden können. Der politische Flurschaden ist aber nicht so leicht aus der Welt zu schaffen.

Nach dem Ausreiseverbot haben Sie gesagt, die Türkei habe ihren Wunsch, in die EU aufgenommen zu werden, nicht gerade erleichtert. Gilt das jetzt nicht mehr?

Die Beitrittsperspektive macht sich an einer Wende zur Demokratie und einer Stärkung der Menschenrechte fest. Die ist leider nicht zu erkennen. In der Türkei muß selbstverständlich werden, daß die EU eine Wertegemeinschaft ist, in der sich Menschen frei bewegen können und in der Menschenrechte garantiert werden.

Wie wird sich Rot-Grün gegenüber der Türkei verhalten?

Wir wollen, daß die Türkei in die EU aufgenommen wird. Für die notwendigen Reformschritte in der Türkei ist die Perspektive der Mitgliedschaft unverzichtbar. Die Türkei macht es uns aber nicht leicht. Die Preisverleihung für Frau Zarakolu war eine einmalige Chance für die türkische Regierung, sich Kredit zu verschaffen. Die Umstände lassen allerdings darauf schließen, daß es in der Türkei starke Kräfte gibt, die kein Interesse daran haben.

Was kann eine rot-grüne Regierung tun, um die EU-Mitgliedschaft der Türkei voranzutreiben? Wir werden das Spiel der Falken erschweren, die bisher sagen konnten, die EU will uns ja sowieso nicht, die fürchtet einen weiteren Konkurrenten. Mit einer rot-grünen Regierung geht das nicht mehr, weil wir im Gegensatz zu der alten Regierung eindeutig sagen: Wir wollen. Dazu gehört auch, daß wir den fatalen Eindruck zunichte machen, die Religion könnte eine Rolle für die Aufnahme spielen. Für mich gibt es zur EU-Mitgliedschaft eine Tür mit zwei Schlüsseln. Den einen haben wir, den anderen die Türkei. Sie muß nur den ihren auch benutzen.

Darauf deutet wenig hin.

Wir haben weniger Einfluß auf die Türkei als früher. Wir sehen das an der harten Haltung in der Zypern-Frage. Und auch der aktuelle Konflikt mit Syrien verkörpert eine Politik des Säbelrasselns, die für ein EU-Mitglied undenkbar ist. Die Türkei muß verstehen, daß sie das Kurdenproblem nicht in den Nachbarstaaten, sondern nur im eigenen Land lösen kann.

Wie wird Rot-Grün das Verhältnis zur Türkei verbessern?

Es kommt darauf an, die Zusammenarbeit auf allen Ebenen zu verbessern. Dazu gehört ein deutsch-türkisches Jugendwerk und die Förderung von Städtepartnerschaften. Interview: Markus Franz

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