Die Mark nur 85 Pfennige wert

■ Der Bau des neuen Volksparkstadions kommt den Hamburger SV nun doch teurer als erwartet

Der Hamburger SV hat sich verkalkuliert. Der Bau des neuen Stadions kommt den Verein, der noch an der Rothenbaumchaussee residiert, nun doch teurer als geplant. Zusammen mit den Aufwendungen für die Mannschaft riß die Arena im Volkspark ein tiefes Loch in die Kasse des Fußball-Bundesligisten. „Wir haben außerordentliche Belastungen durch den Stadionbau. Das wußten wir vorher. In der Saison 1998/99 gibt es aber Mindereinnahmen, die zusätzlich zu finanzieren sind“, gab der Noch-Vorsitzende Werner Hackmann gegenüber der dpa zu. Zur Lage des Klubs meinte er jedoch optimistisch: „Wir befinden uns in einer schwierigen Situation, aber die Probleme sind lösbar und werden gelöst.“ Und zwar, indem der Verein zusätzliche Kredite aufnimmt, denn der derzeitige Finanzbedarf soll bei knapp 10 Millionen Mark liegen.

Auch Aufsichtsratsvorsitzender Udo Bandow bestätigte, daß der Fußball-Bundesligist derzeit sehr knapp bei Kasse sei. Dies erklärt auch die Zurückhaltung des HSV bei der Verpflichtung weiterer neuer Spieler, die zur Steigerung der sportlichen Qualität und damit zur Rentabilität des Neubaus benötigt werden. Bandow glaubt jedoch nur an einen vorübergehenden Engpaß und unterdrückte in seiner Einschätzung die Dramatik: „Wir sind mit dem neuen Stadion ein hohes Risiko eingegangen. Aber ich schlafe von Nacht zu Nacht ruhiger.“ In spätestens zwei Jahren werde die fertige Arena jährlich hundert Millionen Mark Umsatz bringen. Das wäre das Dreifache dessen, was das Stadion heute dem Verein heute einbringt.

Vorläufig allerdings wird beim HSV über vermeintliche Fehlplanungen heftig diskutiert. Gegen diesen Vorwurf setzt sich Hackmann mit einer Gegenoffensive zur Wehr: Der HSV sei mit einem Rekordetat von 71 Millionen Mark in die laufende Saison gestartet. Die Steigerung betrage damit rund zwanzig Millionen Mark, die zumindest in dieser Saison kaum aus dem Spielbetrieb erwirtschaftet werden könne. Das Kostenwachstum hat seine Ursachen im Stadionbau und dem mit dem Rechteverwerter Ufa für 15 Jahre geschlossenen Partnerschaftsvertrag, durch den sich der Bundesligist in große Abhängigkeit begeben hat.

An Zinsaufwendungen für das neue Stadion fallen nachAngaben des Vereins in dieser Saison 3,5 Millionen Mark an. Zu Buche schlagen jedoch außerdem unvorhergesehe Beraterkosten durch Anwälte, Ingenieurs- und Architekten-Büros von 2,9 Millionen Mark. Die gegenüber den Banken für die Finanzierung des Stadions bürgende Ufa kassiert aus der Vermarktung Provisionen zwischen zehn und zwanzig Prozent. Sie verkauft auch die 50 Logen und 1850 Business-Seats im Wert von 15 Millionen Mark. „Jede Mark auf diesem Gebiet ist für uns nur 85 Pfennige wert“, erklärte Hackmann.

Durch Verzögerungen am Bau mußte ohnehin die ursprünglich erwartete Einnahme aus dem Kartenverkauf einschließlich Logen von 17,5 auf 13,9 Millionen Mark zurückgefahren werden. Der kalkulierte Zuschauerschnitt sank gleichzeitig von 28.000 auf 26.000. Der Grund ist das begrenzte Platzangebot auf den neuen Tribünen Ost und Süd. Mit Beginn der Rückrunde werden auf diesen Abschnitten wahrscheinlich erst 17.000 von 21.000 Plätzen zur Verfügung stehen, bislang waren es erst 4000.

Auch die neue Mannschaft spielt nur auf Pump. Als „Hochzeitsgeschenk“ brachte die Ufa neben einer Schenkung von 750 000 Mark ein Darlehen von 24,25 Millionen Mark mit in die Ehe – rückzahlbar in 15 Jahren. Die erste Rate von 15 Millionen Mark ist, wie in dieser Woche bekannt wurde, bis auf einen Rest von vier Millionen Mark bereits ausgeschöpft. Der HSV hat für neun zur neuen Saison verpflichtete Spieler Ablöse- und Beraterkosten von 5,75 Millionen Mark gezahlt, gleichzeitig können und werden von den Ufa- Geldern aber auch die Gehälter finanziert. Auf die zweite Ufa-Rate von zehn Millionen Mark, die ursprünglich erst zur nächsten Saison bereitstehen sollte, plant der HSV nun einen Vorgriff, sollte der gesuchte Stürmer gefunden werden.

Die langfristige Perspektive für den HSV bietet neben dem neuen Stadion der Gang an die Börse. Erste Weichen soll die Jahreshauptversammlung am 30. November stellen. Für das kommende Jahr plant der Klub die Umwandlung des Lizenzspielerbetriebs in eine Kapitalgesellschaft. Es ist die große Vision des Aufsichtsratschefs und Bankiers Bandow, die HSV-Aktie in zwei Jahren als likratives Wertpapier anbieten zu können. Analysten sehen darin aber derzeit keine renditeträchtige Anlage. Sollte die Finanzmisere anhalten, wird sich daran in absehbarer Zeit auch nichts ändern.

Bernd Müller/Eberhard Spohd