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Joschka Fischer „stehen bei uns alle Türen offen“

■ Fürs außenpolitische Establishment der USA wäre ein grüner Außenminister kein Problem

„Fischer soll vor allem zuhören und hart arbeiten, um die Probleme zu verstehen. Von innen sehen die nämlich anders aus als aus der Warte der Opposition.“ So lautet der Rat von Helmut Sonnenfeldt, der unter Kennedy und Johnson im US-Außenministerium und unter Nixon im Nationalen Sicherheitsrat gearbeitet hat. Der Grüne wäre zwar nicht Sonnenfeldts Wunschkandidat, aber er erwartet von ihm keine Probleme für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. „Er ist sympathisch und ein kluger Kopf. Fischer hat eine Entwicklung vom äußeren Rand zur Mitte vollzogen.“

Auch im US-Außenministerium fürchtet man keinen grünen Außenminister. „Wir gehen ohnehin davon aus, daß Schröder die Leitlinien deutscher Außenpolitik bestimmen wird“, so eine Sprecherin des State Department. „Aber die Grünen sind für uns keine unbekannte Größe und Fischer keine Überraschung.“ Grüne seien wiederholt in Bildungs- und Besuchsprogramme der US-Regierung einbezogen worden. „Wir wollten sie kennenlernen, wollten, daß sie uns kennenlernen.“

Vernon Walters hingegen, US- Botschafter in Deutschland zur Zeit der Regierung Bush, macht sich Sorgen um die Zukunft der deutsch-amerikanischen Beziehungen: „Die Vorstellung von den USA als Hauptfeind der Menschheit und Sündenbock in allen Umweltfragen hat sich bei den Grünen gehalten.“ Walters fürchtet trotz Fischers Rolle beim Umdenken der Grünen über die Nato, daß die deutsche Außenpolitik lieber auf die UNO setzen wird, wo die Russen ein Vetorecht haben.

Keinerlei Bedenken hat man im US-Kongreß. „Als Fischer vor zwei Jahren hier war, kam er bei einer Begegnung mit Abgeordneten des außenpolitischen Ausschusses sehr gut an“, erklärt ein Sprecher des Foreign Relations Committee. „Fischer war eine erfrischend neue Stimme, und man war ganz erstaunt, jemanden zu hören, der so gar nicht den Vorstellungen entsprach, die man sich von einem Grünen gemacht hatte. Bei uns stehen ihm alle Türen offen.“

Richtig freuen über Fischer als möglichen Außenminister tun sich Mitarbeiter einiger Nichtregierungsorganisationen (NGO). Chris Flavin etwa vom World Watch Institute geht davon aus, daß die Deutschen jetzt nicht nur in der Klimafrage, bei der sie den Amerikanern ohnehin immer voraus waren, eine stärkere Rolle spielen werden. „Die Deutschen haben die USA als führendes Land bei der Entwicklung der Windenergie abgelöst, die Regierung Kohl ist da noch zuwenig selbstbewußt aufgetreten.“ Dafür könnten die Deutschen jetzt auch in einigen Fragen der Welthandelspolitik eine fortschrittliche Rolle spielen.

Auf die Frage, ob nicht auch er einen Rat für einen Außenminister Fischer hätte, antwortete Vernon Walters: „Ich würde Herrn Fischer sagen, daß die Welt sehr kompliziert geworden ist. Wo früher zwei Tiger durch einen Dschungel streiften, surren heute Millionen Mücken. Außenpolitik ist dadurch nicht einfacher geworden.“ Peter Tautfest, Washington

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