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Sauereien im Keller sind hausgemacht

■ Am Hochwasser in ihren Häusern sind die Besitzer selber Schuld, weil Rückstauventile fehlen, sagt die Umweltbehörde / Die Überläufe zu öffnen, verschmutzt die Gewässer und bringt nichts

Wenn es aus dem Himmel über Bremen richtig gießt, stehen in unschöner Regelmäßigkeit viele Keller voll mit stinkendem Abwasser. Fällt in zwei Stunden mehr als 18 Liter auf jeden Quadratmeter Bremer Boden, sind die Kanäle schlicht voll. Zuletzt geschah dies am 5. Juni 1998, besonders in Oslebshausen war in den Kellern „Land unter“. Im vergangenen Jahr hatte es in Findorff und im Holter Feld Hochwasser gegeben.

Volkes Stimme hatte den Schuldigen an der Sauerei bald ausgemacht: Die Bremer Entsorgungsbetriebe (BEB). Die haben nämlich die Regenüberläufe dichtgemacht, um zu verhindern, daß die ungereinigten Abwässer direkt Gräben und Kanäle verschmutzen. 1984 hatte die Staatsanwaltschaft sogar wegen des Verstoßes gegen das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes ermittelt. Von sechs Überläufen im Bremer Westen wurden dann vier geschlossen.

Der zornige Ruf der Hochwassergeschädigten drang bis in die Bürgerschaft. Im Juli dieses Jahres verdonnerte das Parlament gegen die Stimmen der Grünen die Umweltbehörde, die verbleibenden Regenüberläufe wieder zu öffnen und den Menschen finanziell unter die Arme zu greifen.

Die Umweltbehörde hat den Auftrag jetzt abgearbeitet. Im Senat soll am Dienstag beschlossen werden, für die Kellerbesitzer einen Soforthilfefonds von einer Million Mark aufzulegen. Außerdem soll ein Gutachter prüfen, ob die bei einer Öffnung der Überläufe erwartete Schmutzfracht von 130.000 Kubikmeter pro Jahr die Gewässer nicht über das gesetzlich erlaubte Maß belasten.

Denn soviel ist für die Experten klar: Das Hochwasser in den Kellern hätten die Überläufe nicht verhindert. Beim Unwetter im Juni 1998 wäre die Brühe in Oslebshausen genauso hoch gestiegen wie bei geschlossenen Überläufen, allerdings hätte das Hochwasser etwas kürzer angehalten.

Für die Umweltbehörde sind die Hausbesitzer selber Schuld an der Flut in ihrem Keller. Bei zwei Dritteln der betroffenen Häuser gab es in den Rohren keine Rückstausicherungen oder Hebeeinrichtungen, die eigentlich seit 1906 in der Bauordnung vorgeschrieben sind. Viel Wasser dringe auch durch Fenster, Türen oder Wände von Nachbargebäuden in die Keller ein. Das Geld aus dem Notfonds soll deshalb auch nicht für die Beseitigung der Schäden gezahlt werden, sondern nur für die Sicherung der Rohre.

Umweltverbände und Deichverband sind darum von Anfang an Sturm gelaufen gegen die von der Bürgerschaft im Verein mit den Anliegern geforderte Öffnung der Überläufe. Der Gesamtverband Natur- und Umweltschutz Unterweser befürchtet eine erhebliche Verschlechterung der Wasserqualität in den Gräben des Bremer Blocklands. In Extremfällen sei ein Fischsterben und ein völliges Umkippen einzelner Gewässer zu befürchten. Das Gesundheitsamt hält aus hygienischer Sicht die Öffnung der Notüberläufe für einen „Schritt in die falsche Richtung“. Die Bereitschaft der Haus- und Grundstückseigentümer, für die Hausentwässerung die volle Verantwortung zu übernehmen, lasse zu wünschen übrig. Der Landesverband der Gartenfreunde will seine Mitgleider auch nicht gerne mit ungereinigtem Mischwasser konfrontiert sehen. Die Hausbesitzer sollten den Boden auf ihren Grundstücken entsiegeln, fordern die Gartenfreunde, damit mehr Regenwasser natürlich versickern könne. J. Fahrun

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