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Freier Handel statt Mehrweg

EU droht der Bundesrepublik mit einer Klage gegen die Verpackungsverordnung. Mehrwegquoten widersprächen der EU-Verpackungsregelung  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Dieser Tage wird im Bundesumweltministerium unangenehme Post aus Brüssel eintreffen. Die EU-Kommission droht erneut mit einer Klage, weil nach ihrer Lesart die deutsche Verpackungsverordnung den freien Handel behindert. Stein des Anstoßes ist die deutsche Vorschrift, daß mindestens 72 Prozent der alkoholfreien Getränke in Mehrwegflaschen verpackt sein müssen. Wird dieser Wert bundesweit unterschritten, so steht es in der Verpackungsverordnung, wird nach einer Schonfrist von eineinhalb Jahren ein Zwangspfand von 50 Pfennig für jede Dose und Einwegflasche fällig.

Gegen diese Regelung protestieren ausländische Getränkehersteller schon lange. Sie argumentieren, daß Deutschland die eigenen Abfüller bevorzuge, weil Mehrwegsysteme nur regional sinnvoll und preisgünstig funktionieren. Ebenfalls im Visier haben sie Dänemark, wo seit 1981 überhaupt keine Dosen mehr verkauft werden dürfen.

Zwar hat der Europäische Gerichtshof 1988 entschieden, daß die dänische Regelung okay sei – aber nur, solange es keine einheitliche EU-Verpackungsverordnung gebe. Die aber ist seit einigen Jahren in Kraft und sieht nur relativ niedrige Recycling- und überhaupt keine Mehrwegquoten vor. „Die Hälfte der EU-Länder hat diese Verpackungsrichtlinie noch überhaupt nicht umgesetzt. Doch die bekommen keine Mahnschreiben“, empört sich die grüne EU- Abgeordnete Hiltrud Breyer.

Mehrere EU-Rechtsgrundlagen stehen hier im Widerstreit. Während Artikel 30 des EU-Vertrags den freien Warenverkehr zur Maxime erklärt, gibt es andere Paragraphen, die den Mitgliedern spezielle Regelungen zum Schutz der Umwelt ausdrücklich zugestehen.

Auch in der EU-Verpackungsverordnung werden Mehrwegsysteme durchaus als „möglich“ bezeichnet. Darauf beruft sich Dänemark, das nach Ansicht der EU- Kommission seit 1. Januar 1996 verpflichtet ist, die Grenzen für Dosen aufzumachen.

Martin Waldhausen, Sprecher des Umweltministeriums in Bonn, versichert: „Wir kämpfen um unsere Mehrwegquote.“ Schon seit Ende 1995 schlagen sich die Ministerialen mit dem Problem herum. „Wir schreiben im Grunde immer wieder das gleiche: Mehrweg ist ökologisch besser“, sagt Waldhausen. Doch bevor es zur eigentlichen Klage kommen könne, gibt er sich beruhigt, seien formaljuristisch noch einige weitere Briefwechsel vonnöten.

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