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Bukarest fürchtet Abspaltungen

■ Das rumänische Parlament lehnt im Koalitionsabkommen vereinbarte Minderheitenrechte ab. Ungarn drohen mit Austritt

Bukarest (taz) – Vom ungarisch-rumänischen Versöhnungsmodell ist wenig übriggeblieben. Zwei Jahre nach dem Wahlsieg der demokratischen Opposition in Rumänien klingt die Rethorik der Regierungsparteien zur Minderheitenfrage mittlerweile ähnlich wie schon unter dem neokommunistisch-nationalistischen Regime des ehemaligen Staatspräsidenten Ion Iliescu. Für den Demokratischen Verband der Ungarn in Rumänien (UDMR), viertgrößte Partei in der Regierung, ist das ein Motiv, mit dem Austritt aus der Koalition zu drohen.

Anlaß ist der schon seit Monaten andauernde Streit um eine eigene Universität für die 1,6 Millionen Ungarn in Rumänien. Im Koalitionsabkommen von Ende 1996 hatten sich die regierenden Christdemokraten, Liberalen, Sozialdemokraten sowie der Ungarnverband darauf geeinigt, daß Minderheiten ein unbeschränkter Gebrauch ihrer Muttersprache im Bildungswesen und in der Verwaltung ermöglicht werden solle. Ausdrücklich einverstanden erklärten sich rumänische Regierungspolitiker auch mit der Gründung einer staatlichen ungarischen Universität — eine Institution, die nach dem Krieg schon einmal existierte und 1958 von den Kommunisten aufgelöst wurde.

Doch der Koalition fehlte der Wille, diese Bestimmungen durchzusetzen. Der Reihe nach brachte eine nationalistische Parlamentsmehrheit alle Gesetzesprojekte zu Fall, auf die sich die Koalitionsspitze vorher geeinigt hatte. So setzen die Abgeordneten etwa durch, daß Geographie und Geschichte Rumäniens in rumänischer Sprache gelehrt werden müssen. Unter dem Druck nationalistischer Politiker, die in Rumäniens Presse als Nationalhelden hochgejubelt werden, fanden und finden der Staatspräsident Emil Constantinescu und die Chefs der rumänischen Koalitionsparteien nun nicht mehr den Mut, die vorher ausgehandelten Beschlüsse zu verteidigen.

Ein Gesetzesprojekt des rumänischen Parlamentes von Anfang September bewegte den Ungarnverband nun zu seiner Austrittsdrohung. Minderheiten soll nach den Vorstellungen rumänischer Parlamentarier verboten werden, eine eigene Universität oder Lehrstühle in ihrer Muttersprache zu unterhalten. Laut der Bestimmung dürften Minderheiten nur noch unter stark eingeschränkten Voraussetzungen einzelne Studienlehrgänge oder Kurse in ihrer Muttersprache absolvieren. Regierungsmehrheit und nationalistische Opposition stimmten für den Gesetzespassus, weil die meisten rumänischen Politiker in einer ungarischen Universität den Beginn eines politischen Separatismus der ungarischen Minderheit wie auch den Beginn einer Abspaltung Siebenbürgens sehen. Den Ungarn hingegen geht es nach den jahrzehntelangen Erfahrungen nationalistischer und minderheitenfeindlicher Regime um ihre kulturelle Selbstbestimmung.

Mit der Austrittsdrohung der Ungarn aus der Koalition konfrontiert, mit der die Regierung ihre Mehrheit im Parlament verlieren würde, haben die Chefs der rumänischen Koalitionsparteien nun im letzten Augenblick eingelenkt. Sie nahmen letzte Woche einen bereits seit längerem vom UDMR vorgeschlagenen Kompromiß zur Gründung einer Universität für alle Minderheiten, darunter der deutschen Minderheit und den Roma an. Zugleich soll auch das Gesetzesprojekt über ein Verbot von Universitäten oder Lehrstühlen in anderer als rumänischer Sprache zurückgenommen werden. Nun liegt die Entscheidung wieder bei den Parlamentariern. Keno Verseck

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