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Wirtschaft zahlt mehr als bisher

Industriedachverband BDI spricht von einer Mehrbelastung bis zu 44 Milliarden Mark durch rot-grüne Steuerreform. Gewinne sollen nicht mehr versteckt werden  ■ Aus Bonn Beate Willms

„Halbherzig“, heißt es beim Bund der Steuerzahler. „Sozial ausgewogen, aber...“, kommentiert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). „Niederschmetternd“ findet der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) die rot-grünen Steuerpläne. Erst wenige Versatzstücke der geplanten rot-grünen Steuerreform sind bekanntgeworden, aber die Lobbyisten beziehen schon Position. Wer gewinnt, wer verliert?

Abzusehen ist eine Entlastung privater Haushalte. 2.700 Mark werde eine durchschnittliche vierköpfige Arbeitnehmerfamilie künftig durchschnittlich im Jahr an Steuern sparen, so hatte SPD-Chef Oskar Lafontaine am Sonntag nach Beendigung der Gespräche mit den Grünen festgehalten. Im Januar soll der Grundfreibetrag erstmals angehoben werden, und zwar auf dann 13.020 Mark im Jahr. Dieser Bestandteil des Einkommens muß dann nicht mehr versteuert werden. Der Eingangssteuersatz soll von 25,9 auf 23,9 Prozent sinken, das Kindergeld für das erste und zweite Kind von 220 auf 250 Mark steigen. Ab dem Jahr 2000 soll auch der Spitzensteuersatz sinken, und zwar zunächst von 53 auf 51 Prozent. Bis zum Jahr 2002 sollen zwei weitere Stufen folgen, die den Trend fortsetzen.

Neue Belastungen soll es für abhängig Beschäftigte kaum geben, es sei denn, sie haben Geldvermögen oder Aktien: Der Sparerfreibetrag, also der Zinsertrag von Sparbüchern und ähnlichem, der nicht versteuert werden muß, wird von derzeit 6.000 auf 3.000 Mark verringert. Gewinne aus dem Verkauf von Aktien werden wie normales Einkommen betrachtet, wenn die Wertpapiere früher als ein Jahr nach dem Kauf wieder abgestoßen werden. Bislang galt eine Spekulationsfrist von einem halben Jahr.

Komplizierter gestaltet sich die neue Situation auf jeden Fall für Selbständige und Unternehmer: Der Spitzensteuersatz auf gewerbliche Einkünfte, den Personengesellschaften, also Mittelständler oder Handwerker, zahlen, wird im kommenden Jahr von 47 auf 45 Prozent und im dann folgenden Jahr auf 43 Prozent gesenkt. Die Körperschaftssteuer auf einbehaltene Gewinne von Kapitalgesellschaften sackt von 45 auf 40 Prozent. Aktiengesellschaften haben weiterhin die Möglichkeit, die Gewinne auszuschütten und damit den Steuersatz auf 30 Prozent zu verringern.

Trotzdem protestiert die Unternehmerschaft: Die niedrigeren Steuersätze müssen zumindest die hohe Gewinne einfahrenden Unternehmen in Zukunft mit weniger Möglichkeiten zur steuerlichen Abschreibung bezahlen. Noch ist die Giftliste der „objektivierten Gewinnermittlung“ nicht heraus. Aber nach den ersten Vorschlägen errechnete der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schon eine Mehrbelastung der Unternehmen von 14 Milliarden Jahr im Jahr 1999, von 30 Milliarden im Jahr 2.000 und von 44 Milliarden im Jahr 2.002. Die Industrie hat allein bei der Gewinnermittlung in den vergangenen Jahren Steuern in zweistelliger Milliardenhöhe „geschenkt“ bekommen.

Eine frühere Streichliste der SPD ergab 40 Milliarden Mark, wenn die sogenannte Bemessungsgrundlage zur Besteuerung der Unternehmen verbreitert würde. Die Entlastung durch niedrigere Steuersätze wäre zu gering, um dies auszugleichen.

Wer gewinnt, wer verliert? Einbußen könnte beispielsweise der Jungunternehmer im Computerbereich haben, der verheiratet, aber kinderlos ist. Ein verheirateter Elektromeister wiederum mit zwei Kindern dürfte sich über eine Entlastung freuen.

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