Ausbildung und Qualifizierung statt Laubharken

■ Die Werkstatt Bremen vermittelt seit Juni Sozialhilfeberechtigte in Arbeit / Erste Bilanz

Irgendwann hatte Alison Huckriede einen Drohbrief im Postkasten. „Gehen Sie zur Werkstatt Bremen, sonst kürzen wir die die Sozialhilfe“, las die Sozialhilfeempfängerin und gehorchte. „Ich war doch von dem Geld abhängig“, sagt die 19jährige, bei der es bisher mit der Jobsuche „alles so nicht klappte“. Hauptschulabschluß, Rechtschreibprobleme und gesundheitliche Schwierigkeiten durch einen Autounfall hatten dazu beigetragen. Dabei wußte sie, was sie wollte: „Im Büro eine Ausbildung machen.“

Die 19jährige Alison ist eine von rund 300 jungen BremerInnen, die die Sozialämter seit Juni im Visier haben. Alle Neuantragsteller unter 27 Jahren sollen arbeiten statt zum Sozi gehen, kündigte Bremens Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD) damals an – erst mit Prämienarbeit für zwei Mark die Stunde und dann mit einer BSHG-19-Stelle. Wer sich weigert, bekommt weniger Stütze – so die damals auf Druck der CDU hin präsentierte neue Stoßlinie. Damit würden die Leute mit Druck nur zum „primitiven Müllaufsammeln“ gezwungen, schlugen Arbeitslosenverbände Alarm.

Alison Huckriede sammelt bislang keinen Müll auf. Sie hat am 1. Oktober eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation angefangen. Mit ihrem Drohbrief ging sie zur Werkstatt Bremen, der das Programm als städtischer Eigenbetrieb organisiert. Nur 25 der bislang rund 220 beratenen jungen Menschen zog die Werkstatt zur Prämienarbeit heran. „Sie wollten das ausdrücklich“, erklärt Werkstatt-Mitarbeiter Jan Schmidt. „Alles andere hätte auch keinen Sinn. Die Leute würden sich einfach krankmelden.“ Deshalb setzt die Werkstatt auf „individuelle Lösungen. Wir schauen gemeinsam, was man den Leuten anbieten kann.“ Die 19jährige Alison schaffte den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt – weil sie nochmals bei einer Firma „um eine zweite Chance bat“, die sie zuvor als Azubi abgelehnt hatte.

„Die anfängliche Drohung hat sicher dazu beigetragen, daß ich das gemacht habe“, sagt die 19jährige heute. Daß sie Erfolg hatte, lag aber auch am angebotenen Lohnkostenzuschuß von 500 Mark für die Immobilienfirma Siefert – und „weil Alison versprochen hat, in Abendkursen ihre Rechtschreibung zu verbessern“, sagt Chef Günter A.W. Siefert.

„Qualifizierung und Ausbildung“ steht bei der Werkstatt Bremen weit vor der reinen Jobvermittlung. Allein 111 junge Menschen beziehen noch weiter Sozialhilfe – weil sie erstmal Praktika oder EDV-Kurse machen. Denn „das größte Problem ist, daß viele überhaupt keinen Schulabschluß oder Lehren abgebrochen haben“, erklärt Werkstatt-Abteilungsleiterin Anna Reiners.

Eigentlich waren pro Monat 40 Menschen eingeplant, die aus der Sozialhilfe fallen sollten. Bislang hat die Werkstatt allerdings in vier Monaten „erst“ 40 Leute in Ausbildung oder andere Jobs vermittelt. Trotzdem jublilierte jüngst der CDU-Sozialpolitiker Helmut Oppermann über die wenn auch „noch bescheidenen Ansätze“. Er freut sich über die allein 40 Menschen, die sich gar nicht auf den Drohbrief hin gemeldet haben. „Diese Menschen verschwinden jetzt einfach im Nirwana, kritisiert deshalb die grüne Sozialpolitikerin Karoline Linnert. „Dabei haben sie nach dem Sozialgesetz einen staatlichen Hilfsanspruch,“ wie die 19jährige Alison, die vorerst aus der Sozialhilfestatistik verschwindet. kat