: Fixen ohne Beispiel
Musterprozeß gegen Hamburger Druckräume wird vermutlich ausgesetzt, weil Rot-Grün in Bonn Fixerstuben legalisieren will ■ Von Elke Spanner
Die künftige Bonner Regierung wirft erste rot-grüne Schatten voraus: Der Musterprozeß, den Hamburg ab dem 30. November vor dem Landgericht führen wollte, um die Rechtslage der hanseatischen Druckräume zu klären, wird hinfällig. SPD und Bündnis 90/Grüne haben bei ihren Koalitionsverhandlungen vereinbart, daß Fixerstuben per Gesetz legalisiert werden sollen. „Die Kammer“, so Gerichtssprecherin Sabine Westphalen gestern noch vorsichtig, „wird die Entwicklungen in Bonn möglicherweise zum Anlaß nehmen, den Termin abzusetzen und das neue Gesetz abzuwarten.“
Der Musterprozeß wird seit einem Jahr vorbereitet, weil die rechtliche Grundlage für die Fixerstuben nicht eindeutig ist. Sie werden zwar von der Gesundheitsbehörde finanziert, und die Justizbehörde hält sie für rechtmäßig. Dennoch meint die Staatsanwaltschaft, wer einen Fixerraum betreibe, verschaffe Junkies „Gelegenheit zum unbefugten Gebrauch von Drogen“. In seiner Anklageschrift beharrt Staatsanwalt Ulf Gerhardt darauf, daß die Hamburger Druckräume gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen.
Die MitarbeiterInnen in den Drogenhilfeeinrichtungen stehen deshalb mit einem Bein im Knast. Um für sie Rechtsklarheit zu schaffen, einigten sich Justizbehörde und Staatsanwaltschaft im Herbst 1997 darauf, einen exemplarischen Prozeß gegen zwei Betreiber von Gesundheitsräumen zu führen.
Darauf wurden auch SPD und Grüne in Bonn aufmerksam. „Bei unseren Koalitionsverhandlungen haben wir uns gerade an den Gesundheitsräumen in Hamburg und Frankfurt orientiert“, so Michael Donnermeyer, Sprecher der Sozialdemokraten. „Wir hoffen, daß der Musterprozeß nun hinfällig wird.“
Doch „eine Absichtserklärung ist noch kein Gesetz“, mahnt Gerichtssprecherin Westphalen zur Zurückhaltung. Und Justizsprecherin Annette Pflaum fände es unter diesen Umständen gar doppelt sicher, den Prozeß zu führen: „Wir haben eine Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern der Gesundheitsräume und dürfen sie nicht in der Schwebe lassen.“ Wohl sei das Beharren auf der Verhandlung „nicht so ökonomisch“, räumt sie ein. Da aber nicht abzusehen sei, wann und wie genau das Betäubungsmittelgesetz geändert wird, könne ein Prozeß „nicht schaden“.
„Hoffentlich geht die Gesetzesänderung jetzt schnell über die Bühne“, bangt darum die Sprecherin der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS), Petra Bäuerle. Schließlich habe der Bundesrat auf die Initiative Hamburgs hin bereits 1995 sein Ja-Wort zu den Fixerstuben gegeben.
Auch die Angeklagten im Musterprozeß mahnen zur Eile: „Wenn die Politik tatsächlich die Absicht hat, die Gesundheitsräume zu legalisieren, dann schnell“, sagt Rainer Schmidt, Mitarbeiter des Vereins „Freiraum“, der den Fixstern im Schanzenviertel betreibt.
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