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Edel bekleidete Baumhüften

Im Jenisch-Park hat ein Künstler Eichen und Buchen eingewickelt – und damit für Streit zwischen Spaziergängern gesorgt  ■ Von Eva Wolfangel

Wild gestikulierend läuft das alte Pärchen mit seinem Dackel durch den Jenisch-Park. Das offensichtliche Thema der Auseinandersetzung: Einige Bäume sind in bunte Tücher gehüllt. Es sieht aus, als trügen sie rote, blaue, gelbe und lila Leibchen, die sich modisch eng um die Baumhüften winden.

Acht Stieleichen und zwei Buchen in dem Park bei Teufelsbrück hat der Münchener Künstler und Modedesigner Frank O. Apel in den vergangenen zwei Tagen mit Kleidern ausgestattet, nachdem er die Tücher zuvor individuell entworfen und passend zugeschnitten hat. „Treesculpture“ nennt er seine Kunstaktion, für die heute um 14 Uhr die Vernissage stattfindet. Mit der bunten Verkleidung möchte er die „Würde und Schönheit der Bäume betonen“, auf die Natur aufmerksam machen und das Umweltbewußtsein schärfen, so Apel.

Dem streitenden Pärchen ist das egal. Umwelt hin oder her, „ich hab doch gleich gesagt, die hat einer eingepackt!“ triumphiert Gudrun Höltgen, als sie vom Hintergrund der Aktion erfährt. Ehemann Jens, der zuerst dachte, die Stämme seien von Pilzen befallen, findet die Idee ganz sympathisch: „Mal was anderes als immer nur braune Bäume.“

Aufmerksamkeit erregt Apels Werk allemal. „Von weitem habe ich mich erschreckt“, empört sich die neunjährige Diana, „ich dachte, die Bäume sind krank!“ Ihre kleine Schwester Paula (6) kann „auch so ein buntes Pflaster“ vorweisen, nachdem sie beim Rollschuhlaufen auf's Knie gefallen ist. Und Mutter Astrid Wallmann sagt, sie könne als gelernte Tischlerin mit „Kunst am Holz“ viel anfangen.

Die Bäume scheinen durch ihre Gewänder menschlich geworden zu sein. „Guck mal, da steckt einer mit dem Kopf in der Erde und hat Hosen an!“ kichert die Pinneberger Schülerin Heinke Castack, die mit ihrer Schwester Friederike und Hund den sonnigen Ferientag im Park genießt. „Und die mit dem roten Rock macht Bauchtanz“, ergänzt Friederike angesichts einer schiefgewachsenen Eiche.

Die Fotografin Miriam Rührig hat sich auf eine Parkbank gesetzt, um darauf zu warten, daß das Licht anders zwischen den Bäumen durchscheint. Sie findet die Idee, auf diese Art auf Umweltschutz aufmerksam zu machen, „phantasievoll“ – allerdings stelle sich die Frage, „inwiefern der Künstler aufrichtige Absichten hat oder ob die Aktion nur Selbstzweck ist“.

Anne Mendler aus Othmarschen dagegen kann nicht verstehen, wieso jemand auf Bäume aufmerksam machen will. „Das sieht man doch, daß da Bäume stehen“ beschwert sich die Rentnerin, und auch ihr Mann Stephan zuckt mit den Schultern. „Statt Frauen ziehen die Modemacher jetzt also Bäume an. Na dann gute Nacht!“ verabschiedet er sich, hakt seine Liebste unter und geht kopfschüttelnd weiter.

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