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Die Apo in der Tanke

Hamburger Tankstellen erschließen neue Märkte: Bei BP gibt es jetzt Apotheken-Ecken mit Schwangerschaftstests  ■ Von Heike Haarhoff

Autofahrer sind Raucher, haben Schweißfüße und Streß und manchmal das Bedürfnis, gleich nach dem Tanken zu erfahren, ob sie möglicherweise schwanger sind. Tankwarte dagegen besitzen Geschäftssinn, einen Nachtschalter und damit alles, was einen guten Apotheker so auszeichnet. Weil diese beiden Aussagen wissenschaftlich fragwürdig, dafür aber voneinander abhängig sind, wird es egal sein, ob Rot-Grün den Liter Benzin in einigen Jahren zum Preis von fünf oder mehr Mark sprudeln läßt: Denn mit den Einnahmen aus neuen „Pharmatheken“ werden Tankstellen überleben.

Verstehen Sie, worum es hier geht? Wir nicht. Aber kurven Sie doch gerade mal zur nächsten BP-Tankstelle: Hier präsentiert sich Ihnen das durchschnittliche Krankheitsbild des modernen Kraftfahrzeugführers anhand des Angebots in der brandneuen „Pharmathek“, gleich neben der Kasse. Die Pharmathek, ein etwa brusthohes Regal mit Pillen und Pasten, bietet neben „Hustenperlen“, „Erkältungsmedizin“ und „Fuß-Deo-Spray“ auch „Stress-activ Brausetabletten“, „natürliche Verdauungshilfen“ und „Fenchelhonig“ sowie „Ringelblumensalbe“ und verspricht daneben nichts Geringeres als Heilung von „Raucherkatarrh“.

Die „Apo in der Tanke“, wie die Pharmathek unter motorisierten Patienten bereits liebevoll genannt wird, gibt es erst seit einer knappen Woche. Da nämlich entschloß sich der Mineralölkonzern BP, die „Pharmathek“ an zunächst hundert westdeutschen Tankstellen-Filialen auszuprobieren, darunter auch sechs in Hamburg. BP-Sprecherin Claudia Braun erklärt: „Unser neues Angebot folgt dem Bedarf der Kunden im Convenience-Bereich.“ Kundenfreundlichkeit ist aber nur ein Grund. Tatsächlich geht es um neue Einnahmequellen, denn 40 Prozent der Kunden kommen nur zum Einkaufen in die Tankstellen-Shops. An Hamburger Shell-Stationen sollen darum in Kürze auch Kino- und Konzertkarten sowie Fast-Food verkauft werden.

Das Protestgeschrei der Berufsverbände – etwa das der Apothekerschaft, die um ihre Pfründe fürchtet, weil nach Aldi jetzt auch noch die Tankstellen auf den heiligen Markt der nicht-verschreibungspflichtigen Medikamente drängen, verstehen die Benzin-Verkäufer nicht: „Wir verkaufen nur Drogerieartikel, also alle Mittel, die vorbeugend wirken und frei verkäuflich sind“, sagt beispielsweise der Inhaber der Tankstelle in der Habichtstraße in Hamburg-Barmbek. Weswegen bei ihm nicht mal Aspirin oder Schmerzmittel im Angebot sind.

Dafür aber Schwangerschaftstests. Verschämt sind sie ganz unten im Regal versteckt, und entsprechend schlecht klappte es anfangs mit dem Absatz. Dann aber fragte BILD, ob wir das wollen, und „schon in der Nacht danach“, strahlt der Tankwart in der Habichtstraße, „verlangte jemand so 'nen Test“.

Überhaupt ist man in der BP-Filiale in Barmbek vom Erfolg der Pharmathek überzeugt. Der Tankstellen-Chef sehnt bereits den Winter herbei: „Wir haben hier ein Altersheim mit 800 Leutchen in der Nähe“, frohlockt er, „und wenn die erstmal alle erkältet sind...“

Immerhin ist die Not-Medizinversorgungsstelle nicht nur eine Station der Kur und Barmherzigkeit, sondern soll vor allem Kohle abwerfen. Und haben nicht schließlich die netten Kassierer eigens eine „Sachkundeprüfung“ vor der Industrie- und Handelskammer abgelegt, mit der sie ihre Kenntnisse „im frei verkäuflichen Arzneimittelbedarf“ unter Beweis stellen? „Es ist ja nicht so“, der Tankstellen-Chef klingt gewichtig, „daß jeder mit diesen Medikamenten hausieren gehen kann“.

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