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Abgang in Algerien

■ Der ehemalige Geheimdienstchef Betchine tritt nach Korruptionsvorwürfen zurück

Madrid (taz) – Der ehemalige algerische Geheimdienstchef General Mohammed Betchine ist am Montag abend von seinem Amt als Berater von Staatspräsident Liamine Zéroual zurückgetreten. Betchine zog damit die Konsequenzen aus einer Reihe von Presseveröffentlichungen, in denen ihm Korruption und Machtmißbrauch vorgeworfen wurden.

„Monsieur Import-Import“, wie der Ex-General von der unabhängigen Presse getauft wurde, soll im Gegenzug für wirtschaftliche Gefallen wie Importlizenzen Luxuslimosinen erhalten haben. Gleichzeitig habe er für sich, seine Tochter und seinen Schwiegersohn mehrere Villen aus dem Staatsbesitz in Beschlag genommen, lauten einige der Vorwürfe.

Die schwersten Vorwürfe stammten von Hicham Abboud, einem ehemaligen Mitarbeiter Betchines im Geheimdienst. Der General habe während der Jugendunruhen 1988 höchstpersönlich an Folterungen teilgenommen. Betchine ließ seine Kritiker, wie der im deutschen Exil lebende Universitätsprofessor Ali Bensaad, gnadenlos verfolgen. So wurde der erklärte Antiislamist Bensaad in Abwesenheit wegen Terrorismus zum Tode verurteilt. Nach Presseprotesten wurde das Urteil annulliert, der Justizminister und enge Freund Betchines, Mohammed Adami, nahm daraufhin am Sonntag seinen Hut.

Die ungewöhnlich harte Pressekampagne gegen den starken Mann von Präsident Zéroual ist Teil eines Umverteilungskampfes innerhalb der algerischen Machtelite. Die Fäden zieht aller Wahrscheinlichkeit nach der übermächtige Oberbefehlshaber der Armee, Mohammed Lamari. Ihm war der Präsidentenpalast zu stark geworden. Die Kampagne gegen Betchine führte bereits vor einem Monat zur Ankündigung vorgezogener Präsidentschaftswahlen für Februar 1999. Zéroual will dann nicht mehr antreten.

Betchine und Zeroual hatten verzweifelt versucht, der Pressekampagne Einhalt zu gebieten. Vier unabhängige Tageszeitungen können seit dem Wochenende nicht mehr erscheinen. Die staatlichen Monopoldruckereien weigern sich, für sie zu arbeiten. Die betroffenen Blätter erscheinen seither nur noch mit einer Notausgabe im Internet. Gestern bejubelten sie alle den Abgang Betchines. Reiner Wandler

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